Zeitschrift 

Politische Denkmäler

Vier Stuttgarter Denkmäler:
Idee und Wirkung

Denkmäler für demokratische Politiker
 

Heft 4/2002, 
Hrsg.: LpB

 



 

Inhaltsverzeichnis

Politische Denkmäler

Einleitung

 

Sind politische Denkmäler auf durchschlagende Weise wirkungslos? Politische Denkmäler stehen gewiss nicht ständig im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Doch wenn über sie gestritten wird, kann es lebhaft werden. Wer die Debatte um das Holocaust-Denkmal in Berlin verfolgt hat, der weiß es. Indessen hat das Vertrauen in die Wirkungskraft von Denkmälern gelitten. Es ist kein Zufall, dass das nationale Holocaust-Denkmal in Berlin mit einer Gedenkstätte verbunden werden wird. Im Verlauf der Diskussion wurden weitere Denkmäler in der Bundeshauptstadt Berlin für Gruppen gefordert, die von den Nationalsozialisten verfolgt worden sind, etwa für die Sinti und Roma oder für Schwule. Dieses Heft handelt jedoch nicht von Denkmälern für die Verfolgten des Nationalsozialismus oder von Kriegsopfern, auch nicht von dem Denkmal für die Opfer des Zweiten Weltkriegs in der Neuen Wache in Berlin. Vielmehr geht es hier um jene politischen Denkmäler, die das Andenken einzelner Personen ehren sollen. Der klassische Typ dieser Denkmäler ist das Herrscherdenkmal, wie es bereits in der Antike geschaffen worden ist.

Abschied vom Personendenkmal?

Politische Denkmäler für einzelne Personen sind in der heutigen demokratischen Gesellschaft wenig gefragt. Der Zeitgeist ist gegen Personenkult. Für den Kanzler der deutschen Einheit von 1990 werden einmal gewiss nicht so viele Denkmäler errichtet werden wie für den Kanzler der deutschen Einigung von 1867/1871. Denkmäler für einzelne Politiker gibt es heute nur wenige. Sie entsprechen nicht ohne weiteres dem Zeitgeist einer demokratischen, pluralistischen Gesellschaft. Die Denkmäler für demokratische Politiker der Bundesrepublik Deutschland, welche hier vorgestellt werden, nämlich für Konrad Adenauer in Bonn und für Willy Brandt in Berlin, sind insofern die Ausnahme von der Regel (Baustein B). Es verwundert nicht, dass sie jenen beiden deutschen Nachkriegspolitikern gelten, die am stärksten strukturbildend gewirkt haben.

Warum sind Denkmäler für einzelne Politiker derart aus der Mode gekommen, ja vielfach in Misskredit geraten? Eine Erklärung ist der überzogene, heroische Denkmalkult der Nationalsozialisten, eine andere der Personenkult in sozialistischen Staaten, namentlich während des Stalinismus.

Für Demokraten ist es spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr angemessen, zu einem Politiker, der auf einen Sockel gestellt ist, in Verehrung aufzuschauen. Dem ersten demokratischen Staatsoberhaupt Deutschlands, nämlich Friedrich Ebert, wurde nach seinem Tod an der Außenwand der Frankfurter Paulskirche ein Denkmal errichtet, das nicht etwa den Politiker Ebert darstellt, sondern eine unbekleidete männliche Bronzefigur (B 1a, B 1b). Einen weiteren Denkmaltypus, der das Porträthafte vermeidet, verkörpert das Stuttgarter Denkmal für Eugen Bolz von Alfred Hrdlicka, das am Königsbau angebracht worden ist. Es ehrt den 1945 hingerichteten Widerstandskämpfer, der bis 1933 Württembergs letzter demokratischer Staatspräsident gewesen ist (Abbildung 1).

Abbildung 1:

Eugen-Bolz-Denkmal am Königsbau in Stuttgart von Alfred Hrdlicka aus dem Jahre 1993

Bild: Landesbildstelle Württemberg

 

Noch weiter in der Beseitigung des individuell Persönlichen geht der Typus des abstrakten Denkmals. Hier sei nur an das 1933 von den Nationalsozialisten entfernte Berliner Ehrenmal für Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg von Mies van der Rohe aus dem Jahr 1926 erinnert, dessen Wiedererrichtung auf dem Berliner Friedhof Friedrichsfelde im Jahr 2002 der angesehene Kunsthistoriker Werner Hofmann in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gefordert hat (Abbildung 2).

Abbildung 2:

Berliner Denkmal für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von Mies van der Rohe aus dem Jahr 1926, Friedhof Berlin-Friedrichsfelde

Bild: Bauhaus-Archiv

 

Die Scheu vor Denkmälern, die Personen auf den Sockel stellen, kannte das 19. Jahrhundert noch nicht. Das Denkmal für Ludwig Uhland in Tübingen aus dem Jahre 1873 (Abbildung 3) zeigt den Dichter als Ganzfigur. Geehrt wird damit aber auch der Parlamentarier, Achtundvierziger und Mann des Volkes. Bei Denkmälern freiheitlicher Dichteridole wählte man gern hohe Denkmalssockel genau wie beim Herrscherdenkmal. Ganz anders verkörpert das Stuttgarter Schillerdenkmal von 1839 das Ideal der Kulturnation, das man mit der Verehrung des großen Dichterfürsten auszudrücken suchte. Schillerdenkmäler waren vielfach Ausdruck der deutschen Kulturnation und in diesem Sinne auch des Strebens nach nationaler Einheit (Baustein A).

Abbildung 3:

Ludwig-Uhland-Denkmal in Tübingen von Gustav A. Kietz aus dem Jahre 1873

Bild: Stadtarchiv Tübingen

 

Denkmäler sind Zeugnisse ihrer Zeit

Das Beispiel der Stuttgarter Jubiläumssäule (Baustein A) zeigt, dass bereits in vordemokratischen Gesellschaften ein modernerer Denkmaltypus aufkommt, der nicht mehr das Herrscherbild thematisiert, sondern das einträchtige Miteinander der Repräsentanten des Volkes mit dem Herrscher und die Partizipation des Volkes an der politischen Macht. Der Denkmaltypus der Säule ist nur formal traditionell. Die Könige von Württemberg verhielten sich gegenüber Standbildern ihrer eigenen Person seit König Wilhelm I. reserviert. Darin spiegelt sich ihr Politikverständnis, das von zunehmendem Eintreten für politische Partizipation des Volkes und dementsprechend von einer gewissen Zurücknahme des Königs geprägt gewesen ist. Dieser Entwicklung trägt auch das moderne Denkmal für den letzten König von Württemberg, Wilhelm II., Rechnung (Abbildung 4).

Abbildung 4:

Denkmal von Wilhelm II., König von Württemberg, vor dem Wilhelmspalais in Stuttgart von Hermann-Christian Zimmerle aus dem Jahre 1991

Bild: Rüdiger Hartmann, Mengen

 

Wer sich mit politischen Denkmälern beschäftigt, der erfährt etwas über die Machtverhältnisse vergangener Zeiten und den damit einhergehenden Machtanspruch derjenigen, die politische Macht innehatten. Insofern haben politische Denkmäler einen ausgesprochen hohen geschichtlichen Zeugniswert und sind keineswegs als Arabeske zu betrachten. Indessen verändert sich der Blick auf Denkmäler, die uns aus der Vergangenheit überliefert sind. War zum Beispiel Kaiser Wilhelm I. aus obrigkeitlicher Sicht in Baden derjenige, der das Land vor dem republikanischen Aufstand und den damit verbundenen "Wirren" gerettet hat, so ist 1998 sein Denkmal von Schülern eines Karlsruher Gymnasiums mit Totenköpfen versehen worden (Abbildung 5), um der Auffassung Ausdruck zu verleihen, dass eben jener Kaiser als Kartätschenprinz 1849 die Freiheitsbewegung in Baden und ganz Deutschland zerschlagen hat. Das Beispiel macht deutlich: Der Blick auf die Denkmäler der Vergangenheit verändert sich. Die Schöpfer der Denkmäler können nicht auf alle Zeiten festlegen, wie ihre Werke wahrgenommen werden. Nicht zuletzt deshalb gilt es, die Wirkungsgeschichte der ausgewählten Denkmäler bis zum heutigen Tag mitzubetrachten. Insofern ist die Auseinandersetzung mit über hundert Jahre alten Denkmälern auch heute noch politisch.

Abbildung 5:

Das Karlsruher Kaiserdenkmal für Wilhelm I., Reiterstandbild von Adolf Heer aus dem Jahre 1897, Foto 1998 mit Inszenierung von Schülern des Markgrafengymnasiums Durlach in Anspielung auf die 1849 von den Preußen standrechtlich erschossenen Freiheitskämpfer 

Bild: Huwer

Hinzu kommt: jede Zeit feiert sich in den Denkmälern, die sie errichtet, auch selbst. So ist die Reichsgründung von 1871, als 1890 nach dem Tod von Kaiser Wilhelm I. Denkmäler errichtet wurden, als derart außerordentlich empfunden worden, dass man den Versuch unternommen hat, mit der Formel "Kaiser Wilhelm der Große" die Bedeutung der eigenen Gegenwart heroisch zu überhöhen und an Vorbilder wie "Friedrich den Großen" oder "Karl den Großen" anzuknüpfen. Damit suchte man die Größe der eigenen Zeit zu feiern. Der Ehrentitel "Kaiser Wilhelm der Große" hat sich nicht durchgesetzt, auch wenn überlebensgroße Reiterdenkmäler seiner Person wie am "Deutschen Eck" in Koblenz in diese Richtung zu wirken gesucht haben. Während des Kaiserreichs wurde Kaiser Wilhelm I. von den Zeitgenossen als Verkörperung des obrigkeitsstaatlichen konservativen Militarismus teils gefeiert, teils kritisiert. Heinrich Mann hat in seinem 1918 erschienenen Roman "Der Untertan" den servilen obrigkeitsstaatlichen Kaiserkult gegeißelt und mit satirischen Mitteln den Denkmalskult verspottet. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Roman ein sensationeller Erfolg. Das bedeutendste Kaiserdenkmal Wilhelms I. - das so genannte Nationaldenkmal ("Schlossfreiheit") neben dem Berliner Stadtschloss - hat Walter Ulbricht in bewusstem Traditionsbruch 1950 einschmelzen lassen. (Abbildungen 6 und 7) Bis heute fordert allerdings - anders als beim ebenfalls von der DDR beseitigten Berliner Stadtschloss - niemand die Wiederherstellung des ,Nationaldenkmals'.

Abbildung 6:

Demontage des Berliner Nationaldenkmals, 1950: Der Kopf des Pferdes ist bereits entfernt

Stuttgart ist nicht Berlin. Im Jahr 2000 blieb das Stuttgarter Kaiserdenkmal Wilhelms I. von der Versetzung an einen anderen Platz in der Stadt verschont, weil der gesamte Gemeinderat es als bewahrenswerten Teil von Alt-Stuttgart empfand (Baustein A).

Abbildung 7:

Das Kaiserhaupt samt Pickelhaube schwebt herab

Bilder 6 und 7: Landesarchiv Berlin/N.N.

Das Studium im Archiv hilft weiter

Wer sich mit politischen Denkmälern beschäftigt, stößt auf einander widerstreitende Geschichtsbilder. So wird der Betrachter zur Stellungnahme aufgefordert. Dies impliziert einen forschenden Ansatz, der ausgehend von den Denkmälern, wie wir sie heute wahrnehmen, nach den Absichten der Schöpfer und der Wirkungsgeschichte der Denkmäler fragen lässt. Solche Fragen lassen sich nicht beantworten, indem man die Denkmäler betrachtet. Sie machen das Studium von Quellen im Archiv notwendig. So gesehen bietet die Beschäftigung mit politischen Denkmälern eine herausragende Chance für die Archivpädagogik. Schrift- und Bildquellen im Archiv werden verknüpft mit dem, was draußen in der Öffentlichkeit zu sehen ist (Baustein A). Dabei geht es allemal um Fragen, die eine Stellungnahme zu Macht, Machtrepräsentation und politischer Herrschaft verlangen. Dies ist allen politischen Denkmälern gemeinsam. Deshalb ist es möglich, zu den vorgestellten Denkmälern ein gemeinsames Transfer-Raster zur Erschließung von Denkmälern von unterschiedlicher Thematik zu entwickeln. 

Christof Rieber

 

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