Zeitschrift Kinder in
Deutschland Kinder
und Familie
Heft
3/2004,
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Die Eltern von Jonas haben alles versucht. Kaum konnte der Kleine seinen Blick fokussieren, wurde der Fernseher in den Keller verbannt und auch von den Eltern nur noch für eine Stippvisite bei der Tagesschau in Betrieb genommen. Als Jonas Treppensteigen gelernt hatte, wurde die Tür zum Fernsehzimmer verschlossen. Geöffnet wird sie lediglich sonntags um 11.30 Uhr, wenn die Sendung mit der Maus anfängt sowie für eine weitere Kindersendung pro Woche, die er sich - weit gehend - selbst aussuchen darf. Völlig tabu ist für Jonas das Fernsehen während der Werbepausen. Jonas weiß nicht, dass colahaltige Getränke- und Schokoladenhersteller seit Monaten versuchen, über den Umweg der (...) Fußball-Europameisterschaft (Teilnahme! Sammelbildchen!) junge Kunden zu werben. Er weiß nicht, welche Limonade in der Schatzkiste auf Kinder wartet, wenn sie auf einer tropischen Insel stranden. Er kennt den allerneusten Hula-Hoop-Reifen mit Gelfüllung nicht. Und er soll auch nichts davon erfahren. Ihr Sohn, das haben seine Eltern fest vereinbart, soll nicht von morgens bis abends von Werbestrategen manipuliert werden. Nun steht der achte Geburtstag von Jonas an, und es vergeht kein Abendessen, an dem er nicht auf seine Wünsche zu sprechen kommt. Was er alles noch nicht hat! Und was seine Freunde, der Pit, der Lukas und der Nick alles hätten! Dabei sei doch er, Jonas, der Klassensprecher!!! Dummerweise gehört zu den Dingen, von denen Jonas sagt, dass er sie nicht hat, kein einziges, von dem seine Eltern glauben, dass ein Siebenjähriger sie braucht. Ganz oben auf der Wunschliste: das Handy, dicht gefolgt von der Playstation, dicht gefolgt vom, wen wundert's - eigenen Fernseher. Und auch wenn seine Eltern fest vereinbart haben, standhaft zu bleiben, haben sie spätestens seit der Einschulung gelernt, dass ihr Sohn der Welt des Konsums ebenso wenig fern bleibt wie alle anderen. Wenn Mami oder Papi mit ihrem Sohn im Supermarkt stehen, will dieser nicht irgendetwas Süßes, sondern die längste Praline der Welt, die Extraportion Milch oder die zarteste Versuchung. (...) Erste Kompromisse wurden übrigens längst gemacht. "Scout" und "Puma", "Nutella" und "Capri-Sonne" sind auch aus seinem Leben nicht mehr wegzudenken. Ohnehin sollten die Eltern ihre Kräfte schonen. Denn auch Tochter Thekla kommt mit Riesenschritten ins konsumfähige Alter. Letzte Woche hat sie sich zum ersten Mal eine Barbie ausgeliehen. Und im Herbst steht ihr vierter Geburtstag an. Das Parlament vom 14. Juni 2004 (Jeannette Goddar)
Quelle: Globus Infografik GmbH
Das reduzierte Sweat-Shirt guckt der elfjährige Marc nicht einmal an. "Das ist assi, so kann ich doch nicht rumlaufen", raunzt er seine Mutter an. Form und Farbe sind zwar in Ordnung, nur das richtige Label fehlt. Und auf die Marke kommt es an. Zum Leidwesen der Eltern, denn diese Produkte kosten oft das Vielfache von No-Name-Artikeln. "Der Wert der Ware definiert sich über den Preis. Reduzierte Sachen oder Fälschungen riechen die Jugendlichen sieben Meter gegen den Wind", sagt der Soziologe Professor Klaus Hurrelmann von der Universität Bielefeld. Teure Handys oder Turnschuhe erhöhen den Wert der eigenen Person, glauben viele Heranwachsende. (...) "Die junge Generation ist so scharf auf Marken, weil es für sie so schwer ist, eine eigene Identität zu entwickeln", sagt Arthur Fischer, Geschäftsführer des PSYDA Instituts für Marktanalysen in Frankfurt (...). Die Biografien der Eltern taugten nicht mehr als Vorbild, die Zukunft sei kaum noch planbar. "Da sind Kleidung und teure Accessoires identitätsstiftend." Mütter und Väter seien gefordert, das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken und ihnen ein Gefühl für den Wert des Geldes zu vermitteln, sagt Pädagoge Struck. "Sie sollten den Kindern nicht jeden Wunsch und schon gar nicht sofort erfüllen." Von Zeit zu Zeit sollte es ein Markenartikel sein, dann wieder ein No-Name-Produkt. Noch wichtiger ist allerdings, die Kinder zu überzeugen, dass nicht nur das Äußere zählt. "Man kann auch einem Fünfjährigen schon erklären, dass man sich die teuren Adidas-Schuhe gerade nicht leisten kann." (...) Die Psychotherapeutin Anna Schoch aus München geht vor allem mit den Eltern ins Gericht. "Die meisten Erwachsenen sollten erst einmal ihre eigenen Maßstäbe überprüfen", sagt sie. Oftmals schielten auch sie nach teuren Marken. Eltern sollten Kindern verdeutlichen, dass sie auch mit guten Leistungen in der Schule, sportlichen Erfolgen oder sozialem Engagement sich selbst darstellen können. "Kinder müssen lernen, Massentrends zu widerstehen und Nein zu sagen. (...) Oft herrscht (aber) in den Schulklassen ein enormer Druck, und nur wer die richtigen Klamotten trägt, gehört dazu", sagt Schoch. (...) dpa (Britta Schmeis) vom 27. August 2003
Kleider machen Leute. Ist das wirklich so? Welche Rolle spielt Kleidung wirklich für Jugendliche und für die Erwachsenen? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, schickten wir zwei Lockvögel in verschiedenen Outfits durch die Güglinger und Brackenheimer Innenstadt. Die Reaktionen der befragten Testpersonen waren verblüffend.
Fazit: Kleidung ist nicht alles. Viel wichtiger sind offenbar Freundlichkeit und gutes Benehmen. Schade nur, dass von den Gleichaltrigen (...) keine Hilfe zu erwarten war. Heilbronner Stimme vom 28. Januar 2004 (Carolin Schneider)
Was ziehe ich heute an? Miss Sixty, Pepe, Puma oder Tommy Hilfiger? Für die meisten Teenager ist das das Thema Nummer eins am frühen Morgen. Aber was, wenn diese Klamotten einfach zu teuer sind? Viele Schüler, die nicht das Geld für teure Markenklamotten haben, leiden darunter, dass sie nicht "in" sind. Sie haben deshalb Angst, nicht dazuzugehören. Um diesen Markenzwang zu verbannen, wird in manchen Schulen über die Einführung von Schuluniformen diskutiert. Die Schulen wollen damit bezwecken, dass einzelne Schüler nicht mehr wegen ihrer Kleidung gemobbt, gehänselt oder ausgegrenzt werden, nur, weil sie nicht genügend Geld für Markenklamotten haben. Eine Umfrage (...) ergab, dass mehr als die Hälfte der Deutschen für die Einführung der Schuluniform ist. Als Begründung gaben zwei Drittel der Befürworter an, dass die Schüler dann frei von modischen Zwängen seien. Für 48 Prozent spielt der Aspekt eine Rolle, dass Schuluniformen das Gemeinschaftsgefühl stärken. 91 Prozent aller Befragten sind der Meinung, dass Jugendliche zu viel Geld für Markenkleidung ausgeben, Schuluniformen seien doch viel billiger. In vielen Ländern kennen die meisten Schüler das gar nicht anders. Ob in England, Japan oder Australien - die meisten tragen dort eine Schuluniform. Und der eigene Geschmack? Die eigene Persönlichkeit? Die drückt sich durch den eigenen Kleidungsstil aus. Außerdem würde durch die Uniform die Zuordnung zu den jeweiligen Schularten unterstrichen, was dann doch wieder zu einer Heraushebung bestimmter Schülergruppen führen würde. Heilbronner Stimme vom 3. Februar 2004 (Corinna Kleinhans, Ariane Köglmeier und Stephanie Hutt)
So reagieren Schüler auf die Idee, Uniform zu tragen: Sonja Rechkemmer, 10 Jahre: Schuluniform? Ja klar, warum auch nicht? Mädchen tragen Röcke und Jungs Hosen. Victoria Mayer, 13 Jahre: Nein, eine Schuluniform möchte ich nicht haben. Ganz normale Kleidung finde ich besser! Uniformen machen alle Schüler gleich und man kann seinen eigenen Stil nicht mehr zeigen. Otto Bohr, 11 Jahre: Meine Traumschuluniform wäre eine ganz normale Jeanshose und ein blauer Pullover. Nicht so wie in England, aber doch einheitlich. David Ritschel, 16 Jahre: Mir ist das egal. Wenn wir Schuluniformen hätten, würde ich sie aber schon tragen. Sie müsste schon zeitgerecht sein und jede Schule sollte eine eigene haben. Auch wenn das zu Konflikten zwischen Schülern führen kann. Heilbronner Stimme vom 3. Februar 2004
Was sagen Lehrer der Helene-Lange-Realschule in Heilbronn zur Schuluniform? Victoria von Bernus: Prinzipiell bin ich dafür, doch nicht so wie in England. Meiner Meinung nach sollte die Schuluniform leger, bequem und sportlich sein. Ingrid Rufflar: Persönlich würde ich keine Schuluniform tragen, doch bei diesem Markenzwang hätte das für einige Schüler Vorteile, die kein Geld für Markenklamotten haben. Björn Schwarz: Meine Traumuniform sollte ein Sweatshirt, Jeanshose, aber keine Schlabberhose sein, schüleransprechend und optisch einheitlich. Michael Scheurer: Ich bin sehr zwiegespalten. Persönlich halte ich gar nichts von der Einführung der Schuluniform. Doch ein Vorteil ist, man muss kein Geld für jeden "Markenumschwung" ausgeben. Rektor Norbert Jung: Schwieriger Fall. Es wäre geschickt, da dann keine großen sozialen Unterschiede entstehen. Doch die Individualität würde durch die Bestimmung der Kleider verloren gehen. Heilbronner Stimme vom 3. Februar 2004 (Corinna Kleinhans, Ariane Köglmeier und Stephanie Hutt)
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