BAUSTEIN A

Heterogenes Asien



Einleitung

Asien beheimatet nicht nur das größte Gebirgsmassiv der Erde, den Himalaja, sondern mit dem Mount Everest auch den höchsten Gipfel, mit dem indischen Cherrapunji den niederschlagsreichsten Ort der Welt und mit weit über drei Milliarden Menschen auch den größten Teil der Weltbevölkerung. Dieser Anteil steigt weiterhin stark an, so daß bis zum Jahr 2005 bereits vier von schätzungsweise 6,6 Milliarden Menschen in Asien leben werden. China hat durch eine sehr rigide Familienpolitik zunächst eine Verlangsamung des Bevölkerungszuwachses erreicht. Doch seit die Bevölkerung an der positiven wirtschaftlichen Entwicklung partizipiert, steigt die Zuwachsrate der Bevölkerung wieder an, weil man sich die mit der Geburt eines zweiten oder gar dritten Kindes verbundenen finanziellen Benachteiligungen "leisten" kann. So werden bis zum Jahr 2025 etwa 1,8 Milliarden Menschen in Ostasien leben, 1,5 Milliarden davon in China. Weit stärker jedoch wird das Bevölkerungswachstum in der Region Südasien sein. Allein hier sollen Schätzungen zufolge bis zum Jahr 2025 über drei Milliarden Menschen leben. Indien wird bis 2050 die Volksrepublik China als traditionell bevölkerungsreichstes Land der Erde abgelöst haben, und unter den acht bevölkerungsreichsten Staaten der Erde werden sich fünf asiatische Staaten finden: 1. Indien, 2. China, 3. Pakistan, 6. Indonesien und 8. Bangladesch. Asien wird jedoch nicht nur deshalb immer bedeutender, weil hier mehr als jeder zweite Bewohner der Erde zu Hause sein wird, sondern weil es auch als Wirtschaftsfaktor, als Investitionsstandort und als Absatzmarkt für westliche Exportgüter interessant ist.

In der öffentlichen Diskussion um Asien - sei es mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung oder auf die wirtschaftliche Dynamik - entsteht allzuoft der Eindruck von einer Homogenität Asiens, die so nicht existiert. Vielmehr ist gerade der asiatische Kontinent außergewöhnlich heterogen. Das wird beispielsweise bei der Bevölkerungsstruktur und der ethnischen Zusammensetzung einzelner Staaten deutlich, aber auch mit Blick auf die politische Verfaßtheit dieser Staaten. Asien ist nicht gleichbedeutend mit China oder Indien oder einem anderen vorgestellten fernöstlichen Land. Asien ist ein äußerst facettenreiches komplexes Gefüge mit unterschiedlichsten Ausgangspositionen, Entwicklungsgeschwindigkeiten und -richtungen. So finden sich Staaten Asiens auf allen Ebenen der Welteinkommenspyramide: Japan und Südkorea unter den Reichen, die Philippinen und Malaysia beim Mittelstand, China, Indonesien, Sri Lanka bei den Armen und Indien, Pakistan, Bangladesch sowie Laos, Kambodscha und Vietnam unter den Ärmsten. Damit einher gehen Hunger und Unterernährung vor allem in Südasien, die im krassen Gegensatz zu den wirtschaftlichen Erfolgen einzelner Staaten der Region stehen.

Doch auch diese Einteilung basiert nur auf Durchschnittswerten und muß im jeweiligen nationalen Kontext erneut differenziert werden. Dies gilt auch für die unter ethnischen und religiösen Gesichtspunkten festzustellende Heterogenität der asiatischen Staaten. Zwar zählt zumeist die Mehrheit der Bevölkerung zur namengebenden Nation des jeweiligen Staates, doch in einigen Fällen ist es anders, so etwa auf den Philippinen, wo lediglich 40 Prozent der Bevölkerung zu den Philippinos zu rechnen sind. In Laos sind 67 Prozent, in Malaysia 62 Prozent und auch in Myanmar sind nur 69 Prozent der Bevölkerung Angehörige der Titularnation. Ähnlich heterogen gestaltet sich die religiöse Zugehörigkeit der Bevölkerung zu Islam, Hinduismus, Buddhismus, Christentum, Shinto oder anderen Religionsgemeinschaften.

Ansätze zur Schaffung supranationaler Strukturen und damit zu einer gewissen Vereinheitlichung künftiger wirtschaftlicher und politischer Entwicklungen sind in Südostasien mit der Association of South East Asian Nations (ASEAN) seit 1967 und in Südasien mit der South Asian Association of Regional Cooperation (SAARC) seit 1983 gemacht worden. Über den asiatischen Raum hinaus sind erste Ansätze einer vertieften wirtschaftlichen Kooperation mit achtzehn Pazifik-Anrainerstaaten im Rahmen der 1989 gegründeten Asia-Pacific Economic Cooperation (APEC) sowie mit der Organisation eines ersten asiatisch-europäischen Treffens (Asia-Europe-Meeting, ASEM) im Februar 1996 in Bangkok gemacht worden.


Didaktisch-methodische Überlegungen

Die Vermittlung der naturräumlichen Phänomene Asiens kann mit Hilfe von Atlanten und unter Einsatz von Filmen, Bildmaterial oder Modellen erfolgen und geht daher nicht in die Materialien ein. Die im Baustein A zusammengefaßten Materialien konzentrieren sich hingegen auf die aktuellen sozial- und wirtschaftsgeographischen sowie politischen Fakten, welche die Heterogenität Asiens dokumentieren. Trotz aller Erkenntnisse und Bemühungen in den letzten Jahren zur differenzierten Wahrnehmung ist unsere Vorstellung von der Welt, unsere "geistige Landkarte" nach wie vor von einem eurozentristischen Aufbau bestimmt, d. h. von der am Nullmeridian ausgerichteten kartographischen Darstellung der Erde. Geht es um die Vermittlung von Wissen über einen anderen Kulturkreis und dessen Entwicklung, so ist die jeweils autochthone Sicht des betrachteten Lebensraumes und der Welt ein ganz zentraler Punkt zum Verständnis. Um insbesondere Schüler der Sekundarstufe I in diesem Sinne mit dem asiatischen Kontinent vertraut zu machen, könnte man sie zunächst einmal mit einer asiatischen Darstellung von der Welt allein lassen (A 2) und ihre Reaktionen und Bemerkungen abwarten, ehe man durch weiterreichende Fragestellungen und Suchaufgaben den Unterrichtsverlauf lenkt. Wichtig ist dabei, daß den Schülern deutlich wird, daß es viele verschiedene Ansichten und Perspektiven von der Erde gibt.

Die Schaubilder A 4 bis A 6 befassen sich mit der aktuellen und künftigen globalen Bevölkerungsentwicklung unter besonderer Berücksichtigung Asiens. Eine mögliche Aufgabe in diesem Zusammenhang könnte es sein, Schüler die Anteile einzelner Staaten an der Weltbevölkerung schätzen zu lassen und die Ergebnisse anschließend mit A 4 zu vergleichen.

Das Augenmerk der Materialien A 7 bis A 13 gilt dem Aspekt der Heterogenität der Staaten Asiens untereinander sowie im jeweils nationalstaatlichen Rahmen. Die politischen, ethnischen, wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede werden dabei anhand statistischer Fakten, aber auch mit Hilfe bildlicher Darstellungen vermittelt. Gerade die Bildmedien geben dabei die Möglichkeit, die Vorstellungen der Schüler mit realen Eindrücken zu konfrontieren und gegebenenfalls auftretende Differenzen zu diskutieren. Denkbare Arbeitsaufträge wären etwa eine detaillierte Beschreibung und Analyse der Fotomontage A 9


Europäische Kommission (Hrsg.):
Die Europäische Union und Asien
Brüssel 1995 (Titelblatt)

oder das Anfertigen einer Erörterung zu der Frage, welche Aufnahme von A 10 Indien nach Meinung der Schüler am ehesten charakterisiert.


a) Computer-Ausbildung am Indian Institute
of Technology im südindischen Madras.

Bild: Poly-Press


b) Bis vor kurzem mußte der Junge aus der
nordinischen Stadt Mizrapur als Teppichknüpfer
arbeiten. Ein Unicef-Projekt erlaubt ihm jetzt den
Schulbesuch.

Bild: dpa

Mit den Materialien A 10 bis A 13 stehen zudem die sozialen Aspekte der asiatischen Realität, insbesondere die Frage nach Armut und Unterernährung, im Mittelpunkt des Interesses. Den Schülern muß deutlich werden, daß zwar alle vom Wirtschaftswunder und Erfolg Asiens sprechen, daß jedoch der größte Teil der Asiaten von dieser Entwicklung bislang nicht profitiert und nach wie vor Armut, Hunger und Verelendung asiatische Realität sind.


a) Blick in die Nan King East Road in Taipeh
Bild: dpa

b) Hunger in Bangladesh
Bild: argus

Eine denkbare Aufgabe für die Schüler könnte sein, aktuelle Zeitungsmeldungen über Asien sammeln zu lassen die im Unterrichtsgespräch diskutiert und zugeordnet werden, so daß bei den Schülern eine sukzessive Verdichtung der "geistigen Landkarte" Asien entsteht.


 Back