Heft 3/98 Kein Ich ohne Wir
Baustein B: Meine Familie
B 18 - B22: Wie wird Familie erlebt ?
B 18 Lust und Last
Gratifikationen und Belastungen durch die Familie
Erhebungseinheit: Bundesrepublik Deutschland. Frauen mit Kindern. Quelle: Allensbacher Archiv. IfD-Umfrage 3216. Aus: Sche ring - Frauenstudie 1993, S. 78
B 19 Ein Ort für Gefühle
Das Tempo, in dem wir vorwärts eilen, läßt keine Zeit und keinen Raum, zwischenmenschliche Konflikte auszutragen und zu lösen. Drängt viele Menschen, die nicht mithalten können oder wollen, zunehmend in die Isolation und Vereinsamung. Und dabei möchten wir immer wieder erschöpft aufhören, uns diesem unseligen Zeitgeist bedingungslos und um jeden Preis anzupassen. Sehnen uns ganz einfach nach Liebe, Vertrauen, Ansprache, der Wärme einer Umarmung, die uns tröstet und trägt. Auch abseits aller Biedermeierromantik ist es vor allem die Familie, die diese Erwartungen erfüllen kann. Sie ist am besten geeignet, die Rechte der Kinder zu schützen, Geborgenheit zu vermitteln und neben der Absicherung materieller Bedürfnisse auch Seelenbildung zu ermöglichen. Soll behütende Mitte sein in einer Welt, die nach allen Seiten so offen geworden ist, daß es "zieht". Familie darf Herz zulassen und Gefühle, darf ruhig auch ganz unzeitgemäß ein Stück heile Welt sein, die dem Guten traut. Weil es eine Grundsehnsucht in uns Menschen gibt nach Angenommen sein, nach Vertrautheit und der Schaffung belast barer Beziehungen.
Eveline Erlsbacher: Wir brauchen die Familie; in: SOS Kinderdorf-Auslese, InnsbrucklMünchen: SOS-Kinderdorf Uerlag, 1998
B 20 Dankbarkeit
Wofür bist du deinen Eltern am meisten dankbar? Das fragte die Zeitschrift "Eltern" 1776 Kinder und Jugendliche im Alter von sieben bis sechzehn Jahren. Die Antworten (mehr als 100 Prozent wegen Mehrfach-Nennungen):
1. | Für ihre Liebe | 48,2 |
2. | Daß sie mich versorgen | 44,7 |
3. | Für die guten Erbanlagen | 39,8 |
4. | Daß ich geboren bin | 22,1 |
5. | Für Geduld und Verständnis | 20,9 |
6. | Für schulische Förderung | 14,4 |
7. | Daß sie Wünsche erfüllen | 14,2 |
B. | Für ein eigenes Zimmer | 14,2 |
9. | Für Hilfe bei Krankheit | 12,5 |
10. | Daß sie nicht streng sind | 12,3 |
11. | Daß sie zusammenbleiben | 11,5 |
Beispiele für Schüleräußerungen
Sie fahren zum Wochenende mit meinem Bruder und mir zum Phantasia-Land oder zum Aqua Land und zahlen alles. Man sieht es ihnen an, daß sie uns nur Freude machen wollen. (Orientierungsstufenschüler, 11 Jahre)
Wenn sie mich ermahnen und mich vor Fehler be
wahren. Wenn sie dafür sorgen, daß ich meine Schule gewissenhaft mache. Wenn sie darauf
achten, daß ich mich richtig wasche, die Zähne putze und sauber bin. Ich nenne das mal
die Erziehung. Das ist nämlich gar nicht so leicht für Eltern, ihre Kinder auf einen
guten Lebensweg zu führen. Dazu gehört viel Geduld.
(Gymnasiast, 14 Jahre)
Am meisten freue ich mich darüber, daß meine Eltern sich gut verstehen und nicht auseinander gehen wollen. Ich glaube, daß Ehescheidung für sie ein Fremdwort ist. Wenn sie mich ansehen, fühle ich genau, daß auch sie sich lieben. Mich könnten sie bestimmt nicht allein lassen, weil ich bei ihnen an erster Stelle stehe. Ich habe gerade erlebt, wie bei meiner Freundin die Eltern auseinandergegangen sind. Da hat meine Freundin oft geweint, weil sie das einfach nicht begreifen konnte und jetzt ziemlich oft allein ist. (Realschülerin, 13 Jahre)
Eltern, Mai 1988, S. 206 f.
B21 Gemeinsame Unternehmungen
Frage an Personen, die in einem Mehrpersonen Haushalt leben:
"In einem Haushalt hat zwar nicht jeder die gleichen Interessen, aber es gibt doch manches, vvas man öf ters mit anderen in der Familie gemeinsam macht. Könnten Sie bitte lesen, was auf dieser Liste steht, und mir alles nennen, was auch bei Ihnen zutrifft?"
(Mai 1997, Zahlen in Prozent) | |
Wir sitzen oft zusammen beim Fernsehen |
72 |
Wir gehen zusammen öfter Verwandte, Bekannte besuchen | 57 |
Wir machen gemeinsam den Haushalt, die Hausarbeit | 55 |
Wir machen öfter gemeinsame Ausflüge, Wanderungen | 55 |
Wir machen häufiger Gesellschaftsspiele | 41 |
Bei uns zu Hause wird viel gelesen | 36 |
Wir gehen abends öfter zusammen aus | 29 |
Wir treiben häufiger zusammen Sport | 19 |
Bei uns wird manchmal vorgelesen | 12 |
Wir singen, musizieren öfter zusammen | 10 |
Summe (Mehrfachnennungen) | 386 |
Nichts davon | 2 |
Elisabeth Noelle-Neumann, Renate Köcher (Hrsg.): Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie
1993-1997, München: K. G. Saur, S. 107
B 22 Hänsel und Gretel
Der Fall: Über Nacht sind Bernd (12 Jahre alt) und seine Schwester Karin (10 Jahre alt) Vollwaisen ge worden. Ihre Eltern haben mit dem Kegelklub einen Ausflug in die Schweiz gemacht; auf der Heimfahrt wurde der Bus, mit dem der Kegelklub gereist war, an einem Bahnübergang vom Zug erfaßt. Unter den 16 Toten waren auch die Eltern von Bernd und Karin. Die Geschwister stehen dieser Katastrophe hilflos gegenüber. Zunächst viel Unruhe, überall Menschen, die trösten und helfen wollen. Aber die Eltern fehlen überall. Wie soll es mit ihnen weiter gehen? Können sie in ihrem Haus bleiben? Trauer und Schmerz werden immer mehr von der Frage nach ihrer Zukunft verdrängt. Die Eltern hatten eine Lebensversicherung abgeschlossen, so daß den Kindern nun finanziell geholfen wäre.
Mögliche Lösungen
A In solchen Fällen denkt man natürlich sofort an die Verwandten. Da sind vor allem Onkel Rudolf und Tante Rita, die auch zwei Kinder im Alter von Bernd und Karin haben. Leider wohnen sie über 500 km entfernt von hier; außerdem haben die beiden Familien wenig Kontakt miteinander. Aber bei der Beerdigung erklären sich Onkel und Tante selbstverständlich sofort bereit, die beiden Kinder in ihre Familie aufzunehmen.
B In dem Unglücksbus befanden sich auch Walter und Hannelore Klein, die mit ihren Eltern eng befreundet waren. Spontan wollten die beiden sofort nach dem Unfall den Bernd adoptieren, weil ihr Sohn Michael mit Bernd in die gleiche Klasse geht. Frau Klauser, eine Freundin der toten Frau, würde gerne Karin adoptieren; ihre Tochter Susi und Karin kennen sich seit langer Zeit und verstehen sich sehr gut. Frau Klauser lebt nach ihrer Scheidung mit ihrer Tochter in der Nachbarschaft.
C Nach dem Unfall schaltete sich auch bald das Jugendamt der Stadt ein und bot den beiden Kindern einen Platz im städtischen Kinderheim an. Beide könnten dort gemeinsam untergebracht wer den in einer sogenannten Familiengruppe. Dabei werden mehrere Kindern aus verschiedenen Fami lien zu einer Heimfamilie mit einem Erzieherpaar verbunden.
D Der Klassenlehrer von Bernd hat gemeint, es wäre vielleicht gut, wenn die Geschwister in einem guten Schülerinternat untergebracht würden. Sie könnten so ihre Schule fortsetzen und hätten genügend Freunde und Freizeitmöglichkeiten. Das Internat ist zwar teuer, aber dafür steht ja das Vermögen der Eltern zu Verfügung. In den Ferien könnten sie dann zu Verwandten oder Freunden gehen.
Meine Entscheidung:
- A
- B
- C
- D
Grundkurs Politik (vgl. 8 6), Baustein 11, S. 23 (Xaver Fiederle)