Heft 1/97 Europäische Währungsunion


Einleitung


Europa am Scheideweg

Das Kernstück des Vertrags von Maastricht, innerhalb von etwa zehn Jahren eine Europäische Währungsunion zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu schaffen, hat nicht nur in Deutschland, sondern auch in den übrigen EU-Staaten heftige Auseinandersetzungen über die Zukunft der Europäischen Integration ausgelöst. Mangelnde Bereitschaft, vom vertrauten und bewährten Geld und von der nationalen Zuständigkeit für die Währungspolitik Abschied zu nehmen, verbindet sich mit einer tiefgründenden Unsicherheit über die Stabilität des neuen Euro-Geldes und über den weiteren europäischen Einigungsprozeß.

In der öffentlichen Diskussion über die Währungsunion steht vor allem in Deutschland der Umtausch des Geldes, der Verzicht auf die D-Mark, ganz im Vordergrund. Gerade dieser Vorgang ist jedoch für die Schaffung einer Währungsunion von untergeordneter Bedeutung; das zentrale Element ist vielmehr die endgültige und unwiderrufliche Festschreibung des Wechselkursverhältnisses zwischen den beteiligten Währungen.

Hinter dem ehrgeizigen Ziel, für die 15 EU-Mitgliedstaaten eine gemeinsame Währung und ein Europäisches System der Zentralbanken (vgl. D 9 und D 10) zu schaffen, verbergen sich nicht nur ökonomische und währungspolitische Motive, sondern auch - zum Teil unterschiedliche, ja sogar entgegengesetzte - politische Interessen und Absichten: Einerseits erhofft man sich von diesem Schritt eine Wiederbelebung der "Binnenmarkt-Euphorie", einen neuen Schwung für den Integrationsprozeß, andererseits wollen einige Mitgliedstaaten durch die Stärkung ihres Mitspracherechts in Währungsfragen die Vorherrschaft der Deutschen Bundesbank verringern und die Rolle der D-Mark als Ankerwährung in Europa beseitigen. Eine Betrachtung der Währungsunion, welche diese Aspekte ausspart, bleibt notwendigerweise unvollständig.

Obgleich es sich eingebürgert hat, von einer Wirtschafts- und Währungsunion zu sprechen, handelt es sich dabei um zwei verschiedene Zielsetzungen: Zollunion und Gemeinsamer Binnenmarkt sind Elemente der wirtschaftlichen Integration - ihre Akteure sind vorwiegend Unternehmer und Konsumenten. Im Gegensatz dazu ist die Schaffung einer Währungsunion eine primär politische Entscheidung. Die Währungsunion greift viel tiefer in die nationale Politikgestaltung ein als eine Wirtschaftsunion. Akteure sind hier die Regierungen und die Verantwortlichen in den Zentralbanken. Es erscheint zweckmäßig, auch im Unterricht die beiden Integrationsvorhaben Wirtschaftsunion und Währungsunion zu entkoppeln; deshalb wird in diesem Heft vor allem von der Währungsunion, ihren Chancen, Problemen und Risiken, die Rede sein.(vgl. Rolf H. Haase/Bastian Hepperle, in: Caesar/Scharrer -1994-, S. 106-168).


Ein Umbruch

"Mit der für 1999 vorgesehenen Europäischen Währungsunion steht ein Umbruch in unserem Geld- und Währungssystem bevor, wie wir ihn in den letzten 48 Jahren - seit es die D-Mark gibt - nicht erlebt haben."
Klaus Friedrich/Arnim Unterberg (Hg.): Die Währungsunion - Chance für Europa, Bonn 1995, S. 7

"Die Einführung einer einheitlichen europäischen Währung als Ersatz für die nationalen Zahlungsmittel ist der bisher einschneidendste Schritt auf dem Weg zur Vereinigung Europas."
Hermann Adam/Kristina Hennigs, in: Gegenwartskunde 1996/1, S. 29


Bei einer nüchternen Bilanzierung des Projekts "Europäische Währungsunion" ergeben sich folgende Pro- und Kontra-Argumente, welche bei der unterrichtlichen Behandlung dieses Themas vorgestellt, diskutiert und analysiert werden müssen:

Erwartungen an die Währungsunion

Als positive Ergebnisse der Währungsunion sind zu erwarten:

 1. Der europäische Einigungsprozeß erfährt eine wirkungsvolle Bestätigung und Vertiefung.

 2. Das Zusammengehörigkeitsgefühl der europäischen Völker wird durch die gemeinsame Währung verstärkt: "Gemeinsames Geld bedeutet gemeinsames Schicksal." (Dieter Spethmann, in: Die Woche vom 8. Dezember 1995, S. 28.)

 3. Die Stabilität der Gemeinschaftswährung wird höher sein als die durchschnittliche Stabilität der nationalen Währungen der EU-Mitgliedstaaten; dafür spricht u. a. die am Beispiel der Deutschen Bundesbank ausgerichtete Konstruktion der Europäischen Zentralbank.

 4. Währungsturbulenzen und Wechselkursspekulationen mit ihren negativen Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel gehören der Vergangenheit an.

 5. In Europa entsteht ein starker Währungsblock, der ebenbürtig mit dem amerikanischen Dollar und dem japanischen Yen konkurrieren kann.

 6. Die sogenannten Transaktionskosten (Währungsumtausch- und Versicherungskosten) entfallen bei einer gemeinschaftlichen Währung.

 7. Der innergemeinschaftliche Handel und Austausch von Dienstleistungen erfährt eine Belebung. Mit Recht wird angenommen, daß die Währungsunion einen Wachstumsschub auslösen wird.

 8. Die verbesserte Möglichkeit des Preisvergleichs ergibt Vorteile für den Verbraucher.

 9. Unternehmen und Gewerkschaften in den einzelnen Mitgliedstaaten erkennen, daß sie mit den übrigen EU-Ländern konkurrieren, und werden sich deshalb um Lohn- und Preisdisziplin bemühen.

10. Das Ziel, die Stabilitätskriterien (insbesondere die finanzpolitischen Kriterien: Reduktion der Staatsverschuldung und Konsolidierung der Haushalte) zu erfüllen, hat schon im Vorfeld der Währungsunion zu positiven Wirkungen geführt. Selbst bei den Staaten, welche die Stabilitätskriterien im ersten Anlauf verfehlen werden, sind auch in Zukunft erfolgreiche Anstrengungen zur Inflationsbegrenzung und zum Abbau der Staatsverschuldung zu erwarten.

11. Die Gefahr, daß einzelne EU-Mitgliedstaaten sich durch Abwertungen (vorübergehende) Handelsvorteile verschaffen, existiert in einer Währungsunion nicht mehr.

12. Der Integrationsprozeß wird unumkehrbar gemacht; mit der Errichtung einer Währungsunion ist der "Point of no return" erreicht.


Risiken und Probleme

Unübersehbar sind auch die Risiken und Probleme der Europäischen Währungsunion:

1. Die Tatsache, daß die Währungsunion nicht in eine politische Union eingebettet ist, wird von manchen Beobachtern als ein bedenklicher Konstruktionsfehler des Maastrichter Vertragswerkes angesehen.

2. Nur ein Teil der europäischen Staaten wird am Stichtag im Jahre 1998 die Stabilitätskriterien erfüllen; die übrigen EU-Mitgliedstaaten bleiben zunächst außerhalb der Währungsunion. Dadurch droht eine Spaltung Europas in "Ins" und "Outs", verbunden mit einer möglichen Diskriminierung derjenigen Länder, welche den Härtetest nicht bestehen.

3. Die erwarteten ökonomischen und währungsstabilisierenden Wirkungen der Währungsunion fallen geringer aus, wenn nur wenige Staaten sich an ihr beteiligen.

4. Absichtserklärungen genügen nicht, um die Stabilität der neuen Währung zu sichern. Es müssen wirkungsvolle Sanktionen gegenüber denjenigen Staaten vereinbart sein, die nach ihrem Beitritt zur Währungsunion gegen die erforderliche Haushaltsdisziplin verstoßen.

5. In Ländern mit hohen Lohn- und Lohnnebenkosten, zu welchen auch Deutschland zählt, wird sich der Druck auf Löhne und Gehälter durch billigere Angebote aus anderen EU-Mitgliedstaaten und durch Migrationsbewegungen verstärken.

6. Die Zeche eines möglichen Abwertungswettlaufs der nicht in die Währungsunion aufgenommenen Staaten müssen paradoxerweise die Länder bezahlen, welche aufgrund ihrer Stabilitätspolitik den Aufnahmekriterien in die Währungsunion genügt haben. Sie können nämlich aus währungspolitischen und psychologischen Gründen den Euro nicht ebenfalls abwerten.

7. Ohne Tarifparteien, welche bereit sind, gemeinsam die Verantwortung für die Währungsstabilität im einheitlichen Währungsraum zu übernehmen, kann die Währungsunion nicht funktionieren.

8. Die Akzeptanz der Gemeinschaftswährung bleibt solange fraglich, wie keine hinreichende Identität der Bevölkerungen in der Europäischen Union entwickelt ist. (vgl. Gerhart Maier -1992-, S. 226-228)


Europawährung - pro und contra

Vorteile für die Verbraucher: Keine Umtauschgebühren und Wechselkursschwankungen bei Reisen in die Mitgliedsländer - Größeres Angebot von Waren und Dienstleistungen, weil der Binnenmarkt weiter zusammenwächst; direkte Vergleichbarkeit der Preise - Der Finanzmarkt für Geldanlagen wird größer, und es gibt ein breiteres Angebot.

Vorteile für die Unternehmen: Kosteneinsparungen, Wechselkursrisiko und Gebühren für Geschäfte mit den europäischen Partnern entfallen - Größerer Finanzbinnenmarkt, bessere Finanzierungsmöglichkeiten - Bessere Absatzmöglichkeiten in den Partnerländern.

Nachteile: Der Verbraucher muß umdenken: Die D-Mark verschwindet; Preise, Löhne und Renten werden in der neuen Währung berechnet; das Geld heißt anders und sieht anders aus - Die Bundesbank verliert Kompetenzen für Geld- und Wechselkurspolitik; die Regierung muß die Finanzpolitik mit den Partnerländern koordinieren - Die Unternehmen müssen ihr Rechnungswesen umstellen - Höhere Teuerungsraten in den Partnerländern könnten sich nachteilig auf das deutsche Preisniveau auswirken.

(zitiert nach Globus-Graphik 2799)


Die Währungsunion im Integrationsprozeß

Der erste Versuch, die Europäische Gemeinschaft zu einer Währungsunion weiterzuentwickeln - der "Werner-Plan" - ist in den frühen siebziger Jahren gescheitert. Das 1979 geschaffene Europäische Währungssystem (EWS) war zunächst erfolgreich. Als aber die Bandbreiten für die erlaubten Wechselkursschwankungen von 2,5 auf 15 Prozent erweitert wurden, dominierten praktisch doch wieder die bilateralen Wechselkurse. In dieser Lage gaben die Staats- und Regierungschefs der EU ein neues Ziel vor: Bis zur Jahrhundertwende soll eine Europäische Währungsunion geschaffen werden.

Mehrere Gründe haben die Staats- und Regierungschefs sowie die Finanzminister der EU-Mitgliedstaaten dazu veranlaßt, die Gründung einer Europäischen Währungsunion zu propagieren.


Begründungen

(Europa der zwei Geschwindigkeiten: Mit der Idee des "Europa der zwei Geschwindigkeiten" ist gemeint, daß die Vertiefung der Gemeinschaft zunächst nur von solchen Mitgliedsländern getragen wird, die sich dazu in der Lage sehen. Vorteil dieses Modells ist, daß die Einigungsgeschwindigkeit nicht abhängig von den langsamsten oder sich der Integration am meisten widersetzenden Mitgliedern ist. Ein gutes Beispiel für dieses Prinzip ist das Europäische Währungssystem (von 1979), an dem zwei EG-Staaten mit Sonderbedingungen, zwei überhaupt nicht teilnahmen.
Werner Weidenfeld/Wolfgang Wessels -Hg.-: Europa von A-Z, Bonn 1993, S. 377.)


Neue Perspektiven

Die beschriebenen Motive für die Entscheidung zur Europäischen Währungsunion zeigen, daß die Gemeinschaft durchaus in der Lage ist, auf aktuelle Herausforderungen zu reagieren und sich - unter Abwandlung des ursprünglichen Konzepts - neuen Zielsetzungen und Integrationsperspektiven zu öffnen. Das zeigt, daß die europäische Integration nach vorn offen ist und nicht mit herkömmlichen politischen Strukturen verglichen werden kann. Europas Uhren gehen anders! Mit Recht hat man daher die Europäische Union als ein Phänomen sui generis bezeichnet; ja, sie ist in mancher Hinsicht das ganz Andere, das Gegenmodell zu den bekannten und vertrauten Staatsformen.

Die Politikwissenschaft rückt deshalb seit längerem von der Vorstellung eines Europäischen Bundesstaates mit einer europäischen Regierung und einem europäischen Parlament mit eindeutiger Gesetzgebungsbefugnis ab und geht vom Fortbestehen der Nationalstaaten aus, die allerdings einen Teil ihrer Kompetenzen - in unserem Falle ihre uneingeschränkte Zuständigkeit für die Währungspolitik auf die europäische Ebene verlagern, um sie dort in einem größeren Rahmen besser wahrnehmen zu können.


Befürworter und Gegner

Die Funktion der Währungsunion im europäischen Integrationsprozeß wird unterschiedlich bewertet.


Unterschiedliche Arten der Zugehörigkeit

Den Grad der Zugehörigkeit zur Europäischen Union wird man in Zukunft daran ablesen können, ob ein EU-Staat Mitglied der Währungsunion ist oder nicht, ob er in absehbarer Zeit der Währungsunion beitreten wird oder ob er weit davon entfernt ist, die Konvergenzkriterien zu erfüllen, was die Aufnahme in den Kreis der Währungsunionmitglieder erst möglich macht. Erst recht gilt dies für die osteuropäischen Beitrittskandidaten, für die hohe Hürden vor der gleichberechtigten Zugehörigkeit zum "Kerneuropa" aufgebaut worden sind.

Die drohende Spaltung wird jedoch dadurch abgemildert, daß als Durchgangsstadium zur Währungsunion für alle Staaten, die nicht von Anfang an dabei sein können, eine Neuauflage des Europäischen Währungssystems (EWS II) vorgesehen ist (vgl B 12). Das EWS II ist von großer Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Europäischen Union; in ihr werden die "Ins" und die "Outs" währungspolitisch so eng wie möglich zusammengehalten. Auch den Beitrittskandidaten steht diese Schleuse zur Währungsunion offen. Die Ankerwährung im EWS II wird der Euro sein; dies bedeutet, daß alle EWS-II Mitglieder ihre Währungen innerhalb festgelegter Schwankungsbreiten zum Euro halten müssen (vgl. Baustein C). Im Falle einer Überschreitung der vereinbarten Bandbreiten ist eine Interventionspflicht der betreffenden Staaten vorgesehen.

Unterschiedlich wird schließlich auch das noch offene Integrationsziel einer Politischen Union bewertet. Die einen meinen, daß die Realisierung der Währungsunion nicht von der Existenz einer Politischen Union abhängig gemacht werden müsse, zumal die Konstruktion der Europäischen Zentralbank deren völlige Unabhängigkeit von Weisungen und Eingriffen irgendwelcher politischer Institutionen vorsehe. Die Gegenposition formuliert Renate Ohr so: "Eine Wirtschafts- und Währungsunion erfordert im Bereich der Geld- und Währungspolitik, aber auch der staatlichen Haushaltspolitik die Abgabe nationaler Kompetenzen an supranationale Institutionen. Damit sind eindeutig Schritte hin zur Politischen Union eingeleitet."(Renate Ohr, in: Caesar/Scharrer -1994-, S. 150). Die Schaffung einer Politischen Union fügt sich freilich nicht nahtlos in das Schema der bisherigen europäischen Integration ein; sie bedeutet vielmehr einen qualitativen Neuansatz. Bei Zollunion, Gemeinsamem Markt und Verwirklichung der sogenannten "Vier Freiheiten" hieß das Prinzip: Deregulierung, Liberalisierung und Abbau von Handelshemmnissen; in einer Politischen Union würde dagegen der Handlungsbedarf durch europäische Gremien und der Umfang sowie die Verbindlichkeit europäischer Entscheidungen spürbar erweitert und intensiviert.


Die Europäische Währungsunion im Unterricht

Für den Unterricht ausgewählte Themenkreise zur Europäischen Integration müssen folgenden Forderungen gerecht werden:

- Sie müssen von hoher Aktualität sein, um bei den Schülerinnen und Schülern Interesse zu wecken.

- Sie müssen überschaubar sein, um in der kurzen Unterrichtszeit hinreichend bearbeitet werden zu können.

- Sie müssen Kontroversen aufweisen, um Problembewußtsein zu erzeugen und zur Urteilsbildung und Stellungnahme
  anzuregen.

- Sie müssen die Prinzipien, Ziele, Chancen und Probleme der Europäischen Integration beispielhaft vermitteln.

Auch wenn in der vorliegenden Materialsammlung die Währungsunion im Vordergrund steht, muß vor der Verengung des Europa-Themas auf ökonomische oder gar nur währungspolitische Fragen nachdrücklich gewarnt werden. Die Einigung Europas ist mehr als die Schaffung einer gemeinsamen Währung! "Die Argumentation für die einheitliche Währung muß sich rückbesinnen auf die eigentlichen Gründe des Projekts: das Zusammenlebenwollen, die Sicherung von Frieden, Solidarität und Demokratie und die Notwendigkeit eines geeinten Europas angesichts der zunehmenden Globalisierung."(Jacques Delors, in: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften -Hg.-: Runder Tisch, Luxemburg -1996-, S. 77.)

Herausgeber und Autor dieses Heftes sehen daher im gewählten Thema lediglich eine Chance zur Fokussierung des Europa-Gedankens, einen geeigneten "Aufhänger", um die Diskussion über Europa insgesamt und über die Ziele der Europäischen Einigung zu beleben und in Gang zu halten.

Für die Gestaltung des Unterrichts erweist es sich als produktiv, daß die Entscheidung über die Errichtung einer Währungsunion heftige politische und fachwissenschaftliche Kontroversen hervorgerufen hat. Die Möglichkeit, gegensätzliche Meinungen und Positionen miteinander zu konfrontieren, verspricht einen lebendigen Unterricht und eine höhere Motivation, als dies bei der Vermittlung von weitgehend akzeptierten Tatbeständen und Strukturen gewöhnlich der Fall ist. Hinter den zur Währungsunion vorgetragenen Meinungen verbergen sich Werthaltungen und Interessen, welche von den Schülerinnen und Schülern identifiziert und diskutiert werden können. Man wird es also nicht bei der bloßen Erarbeitung der gegensätzlichen Stellungnahmen bewenden lassen, sondern dazu auffordern, die jeweiligen Aussagen anhand geeigneter Kriterien auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Trotz der Schwierigkeit der Materie kann es gelingen, die Schülerinnen und Schüler zu eigenem Urteil anzuregen und die Bildung eines begründeten Standpunkts gegenüber den Zielen und den Modalitäten der Währungsunion im besonderen und der Europäischen Union insgesamt zu ermöglichen.

Folgende Kriterien haben sich für die Bewertung der unterschiedlichen Vorschläge und Positionen bewährt:

1) Beitrag der Währungsunion zur weiteren europäischen Integration;

2) Verhältnis der Währungsunion zu den Prinzipien und Zielen des bisherigen Integrationsprozesses;

3) Realisierungschancen der Währungsunion angesichts des aktuellen Standes der europäischen Einigung;

4) Vorteile und Nachteile der Währungsunion für die weitere wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Europa;

5) Zumutbarkeit der Währungsunion für die Bevölkerungen der EU-Mitgliedstaaten (Akzeptanzproblem).

Im Unterricht soll weder einer blinden Vertrauensseligkeit gegenüber den Möglichkeiten der Währungsunion zur Problemlösung noch einer überzogenen und unreflektierten Polemik gegenüber der Währungsunion und den damit verbundenen Veränderungen das Wort geredet werden. Erforderlich ist vielmehr, daß die Adressaten befähigt werden, das Projekt Währungsunion im Hinblick auf die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft zu erörtern und die Schwierigkeiten bei ihrer Realisierung zu erkennen und aufgrund der gewonnenen Informationen sachlich zu beurteilen.


Lernziele

Der nachstehende Lernzielkatalog erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; andererseits ist es nicht erforderlich, daß alle aufgeführten Lernziele mit derselben Intensität realisiert werden. Man kann sich vielmehr bei der Schwerpunktsetzung von den Interessen und Kompetenzen der jeweiligen Lerngruppe leiten lassen. Die Übersicht über mögliche Lernziele hat an dieser Stelle vor allem die Funktion, die Konzeption der Materialsammlung transparent zu machen.

- Merkmale und Ziele einer Währungsunion kennen;

- die Vorzüge einer Gemeinschaftswährung für alle 15 Mitgliedstaaten der EU beschreiben;

- Probleme einer Währungsunion ohne Einbettung in eine Politische Union erörtern;

- Chancen und Risiken einer "kleinen europäischen Währungsunion" (mit nur vier bis sechs Mitgliedstaaten) benennen;

- das Prinzip eines "Europa der zwei Geschwindigkeiten" am Beispiel der Währungsunion erläutern;

- die Stabilitätskriterien (in groben Umrissen) darstellen und ihre Funktionen erklären;

- den Stufenplan und das Phasenprogramm zur Währungsunion kennen (vgl. Baustein B);

- die Vorkehrungen zur Sicherung der Stabilität der gemeinsamen Währung beurteilen;

- unterschiedliche Auffassungen zur Währungsunion konfrontieren und bewerten;

- die Folgen einer Verschiebung oder eines Scheiterns der Währungsunion abschätzen;

- die Währungsunion in das Zielesystem der Europäischen Integration einordnen;

- ein eigenständiges und begründetes Urteil zur Währungsunion formulieren und mit den Mitschülerinnen und Mitschülern
  diskutieren.


Zur Konzeption des Heftes

Die Bausteine A (Vom Binnenmarkt zur Währungsunion: die Stellung im Integrationsprozeß) und E (Beurteilung der Chancen und Risiken) thematisieren grundsätzliche Fragen und Probleme und bilden eine Klammer um die Informationsbausteine B, C und D. Eine ausführliche Bearbeitung der Bausteine A und E wird deshalb besonders dann empfohlen, wenn die Bewertung der Währungsunion im Vordergrund stehen soll. Bei Adressatengruppen mit geringerem Kenntnisstand über die Ziele und Modalitäten der Europäischen Währungsunion wird man dagegen schwerpunktmäßig die Informationsbausteine heranziehen.

Um eine möglichst große Geschlossenheit jedes einzelnen Bausteins zu erzielen, waren in einigen Fällen Wiederholungen nicht ganz zu vermeiden. Bei der Auswahl der Materialien aus dem nahezu unübersehbaren Angebot an Stellungnahmen und Darstellungen stand die Absicht im Vordergrund, die Kontroverse über die Vor- und Nachteile des ehrgeizigen Projekts zu dokumentieren und eine Gegenüberstellung divergierender Aussagen zu ermöglichen.


Gerhart Maier