Zeitschrift 

Südliches Afrika

Bilder und Realitäten

Von der Landnahme der Weißen zur Apartheid

Probleme und Chancen heute
 

Heft 1/2003 
Hrsg.: LpB

 



 

Inhaltsverzeichnis

Südliches Afrika

Einleitung


"Wer Entwicklungsländern helfen will, ... ohne dabei auch eigene Interessen zum Teil zu opfern, der bleibt ein Anhänger theoretischer Nächstenliebe."

Helmut Schmidt,
deutscher Bundeskanzler (1974-1982)

 

Wenn die Weltbank oder der Internationale Währungsfonds (IWF) Programme zur Entwicklungspolitik auflegen, so folgen diese meist der Maxime, den Gesetzen der Marktwirtschaft auch dort zum Durchbruch zu verhelfen, wo diese bisher kaum eine Rolle spielten. Auch für die bilateralen Beziehungen gelten oft die gleichen Grundsätze. Solche Programme treffen zum Beispiel in Schwarzafrika auf anders organisierte Volkswirtschaften, zerstören sie unter Umständen und führen zu großen sozialen Verwerfungen, ohne die erwünschten positiven Effekte zu erzeugen. Nach den Anklagen kritischer Beobachter und Teilen der Weltöffentlichkeit hat bei den internationalen Organisationen und allemal im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ein Umdenken eingesetzt. Viele Nichtregierungsorganisationen sowie soziale und kirchliche Gruppen auf der ganzen Welt fordern den Schuldenerlass für arme Länder und zu deren Finanzierung die Einführung der so genannten Tobin-Steuer (einer Steuer auf Devisentransaktionen).

Die neuen Lehrpläne für Gemeinschaftskunde und Wirtschaft, zumindest für die Neigungskurse im Gymnasium, geben dafür innerhalb des Themas "Globalisierung" Raum. Themen im fächerverbindenden Seminarkurs - mit seiner starken Betonung von Schülerselbsttätigkeit und -kooperation können leicht gefunden werden. Aber auch in anderen Schultypen sind Projekte mit Experten und Erkundungen organisierbar. Es gilt, unseren auf Europa oder gar nur auf Deutschland zentrierten Blick zu weiten und für Alternativen zu schärfen.

Im Heft 32/1981 der Zeitschrift "Geschichte in Wissenschaft und Unterricht" (GWU), stellen zwei Historiker, Hans-Heinrich Nolte und Wolfram Fischer, zwei ganz unterschiedliche Sichtweisen zur Beurteilung der Beziehungen zwischen Europa und der so genannten Dritten Welt (in Afrika, Asien, Lateinamerika) vor.

  • Die eine lautet: Wie Europa reich und die Dritte Welt arm wurde (zum Beispiel wegen des Kolonialismus und der anhaltenden ungleichen Tauschbeziehungen).
  • Die andere Sicht: Wie Europa reich wurde und die Dritte Welt arm blieb (das eine wegen seiner Leistungsfähigkeit, die andere wegen ihrer Leistungsschwächen).
    Am Ende einer Unterrichtseinheit zum Südlichen Afrika können beide Sichtweisen auch von den Schülerinnen und Schülern solide diskutiert werden.

Zeichnung: Mester

 

Das Südliche Afrika

Dieses Heft verweilt jedoch nicht bei den Grundsatzfragen des Verhältnisses von Erster und Dritter Welt. Es lenkt den Blick auf Schwarzafrika und - exemplarisch - auf das Südliche Afrika. Schwarzafrika wird mit den Augen der westlichen Welt zurzeit fast nur negativ oder kritisch betrachtet (siehe Baustein A). Auch aus dem Südlichen Afrika gibt es Schreckensmeldungen: Flut- und Dürrekatastrophen (in Mosambik und Sambia), wirtschaftlichen Niedergang und Hunger sowie einen von Mugabe gelenkten "schwarzen Terror" gegen weiße Farmer in Simbabwe, die Auseinandersetzung zwischen einzelnen Warlords in Angola und die Ausbreitung von Aids mit Millionen von Infizierten und Toten.

Dennoch ist das Südliche Afrika der Hoffnungsträger des Kontinents. Nur von dort gehen die wichtigen Impulse für mehr Kooperation, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie Wirtschaftswachstum in ganz Afrika aus. Auch für die staatliche Wirtschaftshilfe und Schuldenerlasse sowie für privat angesammelte Gelder und für den Personaleinsatz der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) besteht dort die beste Gewähr für eine nachhaltige Entwicklung.

 

Die Konzeption und die Bausteine

Wer das Thema angemessen behandeln will, wird sich nicht auf eine einzige fachliche Perspektive beschränken dürfen. Deshalb sind die Unterthemen, Materialien und Aufgabenvorschläge auch so gehalten, dass das Heft nicht nur in Geschichte, Gemeinschaftskunde und Erdkunde genutzt werden kann. Auch in den Fächern Evangelische und Katholische Religion, in Ethik und in der Ökonomischen Bildung sind wichtige Bereiche und Fragestellungen berührt.

Vieles zum Südlichen Afrika und zu Südafrika ist nicht ohne eine Weitwinkelperspektive, die sich auf ganz Schwarzafrika (das Afrika südlich der Sahara) richtet, zu verstehen. Dies will Baustein A mit einigen "Blitzlichtern" vermitteln. Sie beleuchten ein wenig die "Bilder in unseren Köpfen" und stellen diesen einige harte negative Fakten und einige Voraussetzungen für eine positive Entwicklung gegenüber. Die Schuldfrage wird gestellt, das Problem der Sühne wird hier und im Baustein C angesprochen. Den Schülern wird eine kleine Auswahl von realen Bildern aus dem Südlichen Afrika angeboten; sie dokumentieren die Vielfalt unterschiedlicher Aspekte aus Vergangenheit und Gegenwart und sollen nicht nur touristische Neugierde wecken, sondern auch auf Problemstellungen aufmerksam machen, zum Beispiel: Wüste, Wüstenbildung (Desertifikation) und Nahrungsmittelproduktion, Boom damals und heute, Moderne im Tourismus und Auflösung von Traditionen, Krieg und Wirtschaftsentwicklung. Satirisch und ernst zugleich präsentiert sich zum Abschluss die Frage: Kann Afrika sich allein aus dem Sumpf ziehen?

Baustein B richtet den Blick auf das Südliche Afrika und fokussiert ihn im Wesentlichen auf Südafrika. Ein Überblick über die lange Geschichte des Südlichen Afrika kann nur in der Zeittafel geboten werden. Die Materialien setzen zu der Zeit ein, als die Region schon von der ständigen Anwesenheit der Weißen geprägt ist (also über zwölf Generationen zurückreichend). Allerdings verweist die Zeittafel darauf, dass die Vorstellung, man habe dort ein leeres Land betreten und besiedelt, eine Selbsttäuschung oder Selbstbeschwichtigung der Weißen war. Das Schwergewicht des Bausteins liegt auf der Apartheidpolitik in Südafrika, die eine Verlängerung imperialistisch-kolonialistischer Praxis bis fast ans Ende des 20. Jahrhunderts darstellt. Die Materialien dokumentieren, wie schwer sich diejenigen, die gegen dieses Regime Widerstand leisteten - v. a. der African National Congress (ANC) - mit dem Einsatz von Gewalt getan haben, wie lange es dauerte, bis zu diesem letzten Mittel gegriffen wurde. Sie zeigen auch, mit welcher Brutalität - gerade noch in den Achtzigerjahren - das Regime seinen Erhalt sichern wollte. Das Leiden an den verkrusteten Strukturen und das Wirken einiger eigenständiger Persönlichkeiten sorgten dann für Tauwetter und Aufbruch in Südafrika und in der gesamten Region.

In einem Rundblick versucht schließlich Baustein C die durch den Umschwung von 1990 bis 1994 herbeigeführten Erfolge und Zukunftschancen sowie Hemmnisse und Gefahren für Südafrika und über dieses hinaus - zumindest an wichtigen Beispielen - vorzuführen. Dabei stehen, die Realität keineswegs beschönigend, die positiven Entwicklungslinien und -möglichkeiten im Vordergrund. Die gewaltigen Probleme wie Hunger, Arbeitslosigkeit, Wohnsituation, Kriminalität und natürlich Aids werden aber nicht vernachlässigt.

 

Eine hoffnungsvolle Perspektive

Mit der Fokussierung auf das Südliche Afrika kann gezeigt werden, dass Afrika kein "verlorener", aber ein immer wieder von Gefahren bedrohter Kontinent ist. Der weitgehend unblutige Wechsel vom Südafrika der Apartheid zum Südafrika von heute kann als ein Wunder angesehen werden. Mit Erzbischof Tutu und seiner Wahrheits- und Versöhnungsarbeit sowie mit Staatspräsident Mandela und seiner realitätsbewussten und moralischen Haltung, mit Miriam Makeba werden Vorbilder vorgestellt, die auf ganz Afrika und die übrigen Länder des globalen Südens positiv einwirken können.

Nelson Mandela wirbt mit dem Abdruck seiner Hand für die Zukunft Südafrikas - eine Anti-Aids-Aktion vom Februar 2003

Bild: AP

Für unsere Schülerinnen und Schüler enthalten sie eine aufbauende Botschaft und Identifikationsangebote. Unterricht hat ja auch eine erzieherische Komponente. So könnte es sein, dass Schüler nach der Beschäftigung mit dem Thema eine Veränderung der "Terms of Trade" zu unseren Ungunsten ebenso akzeptieren könnten wie eine Verlagerung von Arbeitsplätzen in das Südliche Afrika, wo nicht neun oder zehn, sondern mehr als vierzig Prozent arbeitslos sind. Es kann sein, dass sie sich mehr für das "Teilen" als für das "Haben" (Erich Fromm) entscheiden. Aber es geht nicht allein um die emotionale, wertgeprägte Seite von Unterricht; die Beschäftigung mit dem Südlichen Afrika ist für junge Menschen und für die Lehrerinnen und Lehrer deshalb besonders interessant, weil zugleich rationales Herangehen gefragt ist und viele aktuelle offene Konflikte (im Sinne des Politikdidaktikers Hermann Giesecke) bestehen, die im Unterricht mit Strukturierungen und Differenzierungen begleitet werden können.

Wolfgang Keller


 


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