Zeitschrift Südliches Afrika Bilder
und Realitäten Heft 1/2003
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Probleme und Chancen heuteBelastungen Noch immer ist es Ziel der Welternährungsorganisation FAO, die Zahl der Hungernden von derzeit 800 Millionen bis 2015 zu halbieren. Dafür wären jährlich rund 24 Milliarden Dollar nötig. Blickt man Jahr für Jahr auf die globale Ernährungslage, dann stellt man fest, dass es besonders Afrika nicht gelingt, seine Bevölkerung mit dem dort Erzeugten zu ernähren. Defizite von mehr als der Hälfte der benötigten Nahrung sind keine Seltenheit; vor allem Getreide und Fleisch fehlen in der afrikanischen Speisekammer. Erschreckend ist weiter, dass die Kammer eher leerer als voller wird - und dies bei wachsender Zahl der daraus zu Ernährenden. Um die Lage für 2002/03 im Südlichen Afrika (C 2) richtig einschätzen zu können, wäre es günstig, Spezialberichte und weltweite Überblicke zu Hunger und Unterernährung, von der FAO, der Weltbank oder von alternativen Organisationen heranzuziehen. Die Schüler müssen dabei verallgemeinern und differenzieren lernen. So stieg der Anteil der Unterernährten in Afrika zumeist dann, wenn sozialistisch orientierte Staaten in die Krise gerieten und nach der Umorientierung auf den Markt IWF und Weltbank darauf drängten, zur Stärkung der Eigeninitiative die Grundversorgung ihrer Bevölkerung mit billigen Lebensmitteln einzustellen. So stieg der Anteil an Unterernährten besonders dann, wenn mehrere Faktoren zusammen kamen: große Teile der Bevölkerung waren an die Versorgung in den Lagern und anderswo gewöhnt ("Afrika wird totgefüttert"), die Produktion von einheimischen Nahrungsmitteln (etwa Hirse) wurde nicht gefördert, die Abhängigkeit vom Weltmarkt verstärkt (Weizen als Saatgut) und das betreffende Land dann vergessen, weil gerade andere Katastrophen das Augenmerk der Weltöffentlichkeit auf sich zogen. Dass selbst die Berichterstattung über menschliche Katastrophen Konjunkturen unterliegt, ist für die Schüler erschreckend, schärft aber ihren Blick für die Gewohnheiten von Massenmedien. Zum Thema "Aids" wurden drei aufschlussreiche Materialen
(C 3 bis C 5) ausgewählt. Das Thema ist immer von neuem in den Medien präsent; von Schülern können Zeitungsausschnitte gesammelt oder Internetseiten abgerufen werden. Folgende Arbeitsschritte für die Analyse und Interpretation bieten sich an:
Die unter C 6 aufgeführten Daten für Entwicklung und Unterentwicklung können besonders im Erdkundeunterricht mit anderen dort eingeführten Indikatoren auf ihre Aussagekraft hin verglichen werden. Ungeachtet der Qualitäten, die solche Datensammlungen haben, ist dort auch der Platz, um daran zu erinnern, dass jedes Land für sich genau untersucht werden muss, wenn man ein richtiges Bild von den Lebensverhältnissen gewinnen will.
Simbabwe und Namibia Von den Staaten der Region werden Simbabwe und Namibia mit einigen Materialien (C 7 bis C 10) vorgestellt, weil sie sich zum Vergleich anbieten. Sie gelten im Südlichen Afrika als Vorläufer einer Entwicklung zu Rechtsstaat und Demokratie. Andererseits zeigt das Beispiel Simbabwe auch Gefahren auf: die Entwicklung vom Hoffnungsträger zum personenbezogenen autoritären Staat. Didaktisch-methodische Hinweise
Neuanfang in Südafrika Erzbischof Tutu: "Nach der ersten freien Wahl... sind wir immer noch im siebenten Himmel... Es war so, als würde man sich verlieben: Die Sonne schien heller, und die Südafrikaner sahen auf einmal viel schöner aus, sie lächelten und gingen aufrechter... Vor unseren Augen ist ein Wunder geschehen. Ein Traum ist wahr geworden. Es ist ein ungeheurer Triumph für die Demokratie, für die Freiheit, für Südafrika. Es gibt wirklich keine Verlierer." Staatspräsident Mandela bei seiner Amtseinführung: "Wir schließen ein Abkommen, dass wir eine Gesellschaft aufbauen werden, in der alle Südafrikaner, schwarz und weiß, aufrecht gehen können... - eine Regenbogennation im Frieden mit sich und der Welt." Eine sehr reizvolle Aufgabe ist es, diesen Neuanfang (C 11 bis C 13) in Südafrika (auch in solchen Erklärungen) mit der "Wende", der "friedlichen Revolution" in Ostdeutschland 1989/90 zu vergleichen. Ein schönes Thema für ein Referat!
Versöhnung
Das sind einige der vielen Aussagen von Erzbischof Tutu zur Tätigkeit der Wahrheits- und Versöhnungskommission (C 14 bis C 16). Dies Sätze könnte man am Anfang einer Stunde an die Tafel schreiben. Weitergehenderes Material findet sich im Bericht über die Kommission (Das Schweigen gebrochen, Brandes & Apsel, Frankfurt a. M. 2000), in Desmond Tutus Buch darüber (Keine Zukunft ohne Versöhnung, Patmos, München, 2001) und in Gillian Slovos Roman "Roter Staub" (dort auch Kritisches) sowie im Internet (auch zu der Anhörung von Frau Mandela). Eine gut vorbereitete Podiumsdiskussion der Schüler zu Grundfragen von Wahrheit - Versöhnung - Schuld - Sühne - Entschädigung wäre dem Gegenstand angemessen. Der Unterricht in Religion, Ethik oder Geschichte kann eigentlich nicht an diesem großen Beispiel vorübergehen. Ein Vergleich mit der Vergangenheitsbewältigung in Deutschland oder in Frankreich kann Schüler dafür aufmerksam machen, ob der südafrikanische Weg geeignet ist, "den Dreck in der Seele und im Kopf... wegzuschaffen" (Wolf Biermann) und sowohl Bestrafung der Täter wie Versöhnung der Gesellschaft zustande zu bringen.
Das südafrikanische Potenzial Die mit C 17 und C 18, aber auch in C 26 bereitgestellten Daten zeigen als Mutmacher viel von dem positiven Potenzial. Freilich gibt es auch andere Daten: Hunderttausende bis Millionen illegaler Siedler hausen in den wuchernden Anhängseln von Townships; in den offiziellen Townships lebt die Hälfte unter der Armutsgrenze; die Arbeitslosigkeit im weißen Bevölkerungsteil liegt bei vier Prozent und bei 40 bis 50 Prozent im schwarzen; die Umverteilung des Landes geht nur sehr schleppend voran; dazu eine erschreckende Armut und Menschen, die von ihrem erfolgreichen Kampf gegen die Apartheid gestern und von ihrem aussichtslos scheinenden Kampf ums Überleben heute berichten. Neville Alexander, ein Bildungspolitiker und Pädagogikprofessor aus Kapstadt, gehört zu den entschiedensten Kritikern, wenn Südafrika heute einen neoliberalen Weg in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik geht. In einem Interview im Jahr 2000 gab er der Befürchtung Ausdruck, dass Südafrika ein Land wie Brasilien werden könnte, wo 60 Prozent der Bevölkerung für die kapitalistische Wirtschaft eigentlich überflüssig sind und in erschreckender Armut leben. So weit ist es in Südafrika (noch?) nicht. Die hier wiedergegebene Tabelle (aus einer Internet-Seite der Katholischen Studierenden Jugend) erfasst einige sprechende Details; sie können von den Schülern mit entsprechenden Daten für die Bundesrepublik verglichen werden.
Tabelle:
Mögliche Aufgaben
Leistungen und Hemmnisse auf dem Weg Bei einem Vorgang wie der Geburt, dem Wachsen und Älterwerden des neuen Südafrika gibt es ganz natürliche Phasen. Die Literaturnobelpreisträgerin Nadine Gordimer hat vier Etappen in Interviews benannt:
Eine solche Abfolge ist möglicherweise auch aus den Materialen C 11 bis 13 und C 19 bis 27 zu erkennen. Die Texte C 20, C 22 und C 25 demonstrieren, wie unterschiedlich das weiße Potenzial für den weiteren Entwicklungsweg Südafrikas anzusehen ist (siehe auch B 27, C 7 und C 9). Die Aussagen "Wann reist du ab, Weißer Mann?" (Rolf Italiaander, schon 1954) und "Das Südliche Afrika ist nicht nur schwarz, sondern auch weiß" könnten am Anfang und Ende einer Stunde zu diesem Thema stehen. Es ist auch möglich, die unterschiedlichen Teilaspekte (C 20 bis C 27) unter Positiva und Negativa in einem Tafelbild zu ordnen und zu gewichten. Eine anspruchsvolle Aufgabe könnte darin bestehen, die Karikatur (C 19) vergrößert für eine Plakatcollage zu verwenden, bei der die Schüler die Wegstrecke auf den nächsten Berg mit einzelnen Stationen versehen.
Macht, Moral und Hoffnung Der Rapper Lesego Rampolokeng: "Ich habe keine Lust, mit Samthandschuhen angefasst zu werden, nur weil ich in Soweto geboren bin und schon durch meine Herkunft ein Opfer des großen Ungeheuers Apartheid sein muss." (Aus: Afrikanissimo, Peter Hammer Verlag, Wuppertal 1997/98) Das ist die Stimme eines radikalen, schwarzen literarischen Provokateurs, der aber auch Wunden immer wieder aufreißt, die in Südafrika falsch zuheilen wollen. Beide Haltungen seiner Generation sind ein großes Potenzial, dann, wenn "Political correctness" aus Südafrika keine heilige Kuh in der Welt mehr zu machen gewillt ist. Die in C 28 bis C 30 aufgeführten Beispiele, in denen es auch für Südafrika um Macht und Moral geht, können von den Schülern untersucht werden, und es werden neue Beispiele folgen, wenn Südafrika die ihm zugedachte und von ihm selbst gewollte Rolle einer Vormacht im Südlichen Afrika (vielleicht in ganz Afrika) noch stärker übernimmt.
Methodische Anregungen zum Abschluss
Das Interesse an Südafrika sollte auch über den Unterricht hinausreichen - etwa mit der Begründung, die der weiße südafrikanische Schriftsteller Allister Parks, Nachrichtenchef bei South African Broadcasting Corporation und Autor des Buches "Morgen ist ein anderes Land" (Berlin Verlag, Berlin 1999), gegeben hat (siehe Kasten).
BAUSTEIN C Probleme und Chancen heute
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