Zeitschrift 

Südliches Afrika

Bilder und Realitäten

Von der Landnahme der Weißen zur Apartheid

Probleme und Chancen heute
 

Heft 1/2003 
Hrsg.: LpB

 



 

Inhaltsverzeichnis

Baustein B

Von der Landnahme der Weißen bis zur Apartheid


Der Raum

Um welche Region handelt es sich, wenn wir vom Südlichen Afrika sprechen? Peter Meyns hat sich um eine Festlegung bemüht. Sie wird in diesem Heft geteilt - bis auf die Zuordnung Tansanias.

 

 
Die Region

Ziehen wir die doppelte Prägung des Südlichen Afrika in historischer Perspektive durch sozioökonomische Interdependenzen sowie durch die politische Konfliktkonstellation in Betracht, dann erscheint es gerechtfertigt, folgende elf Länder als Region des Südlichen Afrika zu definieren: Angola, Botswana, Lesotho, Malawi, Mosambik, Namibia, Sambia, Simbabwe, Südafrika, Swaziland und Tansania... Auch wenn Tansania geographisch in Ostafrika liegt, wird es jedoch aufgrund seines politischen Engagements während der Befreiungskämpfe im Südlichen Afrika... als Teil der Region definiert.

Peter Meyns: Konflikt und Entwicklung im Südlichen Afrika, Leske + Budrich, Opladen 2000, S. 18

 

 

 

Die aus dem Buch von Meyns stammende vereinfachte Karte (B 1) kann nur eine erste Information sein. Wandkarte und Atlas sollten den Unterricht begleiten.

 

Afrikanische Geschichte - afrikanische Kulturen

"Was wir eigentlich unter Afrika verstehen, das ist das Geschichtslose", so Hegel in seinen Berliner Vorlesungen 1830. Vielleicht konnte er es noch nicht besser wissen, aber was ist davon zu halten, wenn der bekannteste Afrikaforscher der Zeit vor dem

Ersten Weltkrieg, Frobenius, folgendes formuliert: "Eine merkwürdige Rasse, diese Neger. Ohne aktive Energie, ohne positive Schaffenskraft, von allen Völkern, mit denen sie zusammenkamen, geknechtet und zu Sklaven gemacht" (Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit: 100 Jahre deutscher Rassismus, Köln 1988, S.213). Natürlich schreibt er für ein europazentrisches, durch die imperialistischen Erfolge immer neu seine Überlegenheit bestätigt findendes Bürgertum. Was blieb dann von den Besiegten des "dunklen" Erdteils? Auf den Weltausstellungen, bei Hagenbeck und in anderen Tierparks der europäischen Weltstädte (bis 1929), in Panoptiken oder als Show, die von Ort zu Ort zog, wurden "Menschen anderer Rassen... in sogenannten Völkerschauen vorgeführt... Die Menschen ferner Länder und ihre dargestellte Kultur dienten als Beweisstücke europäischer Überlegenheit und als Rechtfertigung kolonialen Sendungsbewusstseins" (Institut für Auslandsbeziehungen / Württ. Kunstverein: Exotische Welten. Europäische Phantasien, Stuttgart, 1987, S.22). Mit einem entsprechenden Test lässt sich leicht herausfinden, ob Schüler auch im Wesentlichen wegen des exotischen Reizes sich mit dem Südlichen Afrika beschäftigen wollen. Eine Unterrichtseinheit, die von anderen Voraussetzungen geprägt ist - Neugierde, Abbau von Vorurteilen durch Informationsschübe - bedarf einer grundsätzlichen Vorarbeit.

Zur Analyse mit den Schülern empfiehlt sich ein differenzierter Vergleich zwischen Afrika und Europa (siehe Text von Winrich Kühne im Kasten, S.9). Zu erörtern ist, ob derartige Vergleiche zulässig sind. Wenn ja, wo liegen ihre Stärken, ihre Schwächen? Dies genau könnte die Fragestellung einer Diskussion im Unterricht sein.

Zu der langen Geschichte Afrikas und zu den afrikanischen Lebenssituationen und Kulturen können in diesem Heft kaum Materialien angeboten werden. Wo dafür ein fachspezifisches oder fächerübergreifendes Projekt stattfinden kann, geht es natürlich auch um handlungsorientiertes Arbeiten. Dazu ist zum Beispiel der Besuch eines Völkerkundemuseums in der näheren oder weiteren Region der Schule möglich (in Mannheim, Heidelberg, Freiburg, Stuttgart, Basel, Zürich, Saarbrücken oder München, auf Studienfahrten auch in Paris, Brüssel und Berlin). Die Schüler können nicht nur der fremden Kultur begegnen, sondern sie können selbst entdecken, wie heute moderne ethnologische Sammlungen das Leben und die Kunst außereuropäischer Kulturen präsentieren, und sie können vielleicht auch ein Gespräch mit den Verantwortlichen führen.

 

 
Einst und jetzt Von Winrich Kühne

Das Abendland hat in seiner Geschichte Ereignisse und Phasen erlebt, die nicht weniger brutal waren als das, was gegenwärtig in Afrika vor sich geht. Drei Prozesse sind es vor allem, die Europa in einer Zeit von gut neun Jahrhunderten erlebte, Afrika jedoch auf einmal bewältigen muss: Das Stichwort zum ersten Prozess lautet "Aids". Die Ausweitung dieser Pandemie in Afrika in den vergangenen Jahren entspricht in ihren dramatischen Auswirkungen dem, was Europa in der Mitte des 14. Jahrhunderts mit der Pest erlebte. Der "Schwarze Tod" führte erst zu einem weitgehenden Zusammenbruch und dann zur Veränderung der Gesundheits- wie auch der Sozial-, Wirtschafts- und Politiksysteme...

Der zweite grundlegende Umbruch in Afrika lässt sich mit der Überschrift "Dreißigjähriger Krieg" versehen. Seit dem Völkermord in Ruanda 1994... sind weite Teile Zentralafrikas von Staatszerfall, Gewalt und Vertreibung gekennzeichnet... Die Übereinstimmung zwischen dem Dreißig-jährigen Krieg (in Mitteleuropa) und dem, was gegenwärtig in Zentralafrika passiert, ist erstaunlich:... Zonen und Phasen der Gewalt wechseln mit denen relativer Ruhe; fremde Armeen ziehen plündernd und brandschatzend durch das Land. Die Zivilbevölkerung lebt in ständiger Furcht vor Raub, Vertreibung und Vernichtung - wie im 17. Jahrhundert vor dem Treiben der schwedischen Armee und ihrer Söldner... Warlords, Politiker, Unternehmer und Verbrecher zugleich, gab es damals ebenso wie heute in Kongo... Gewalt und Krieg dienten damals wie heute vor allem der persönlichen Bereicherung. Selbst Kindersoldaten, eine der bedrückendsten Begleiterscheinungen des Zusammenbruchs von Staaten und Gesellschaften in Afrika, waren im Dreißigjährigen Krieg nicht unbekannt...

Die dritte Parallele zwischen dem Europa von einst und Afrika sind die Kriege, in denen sich im 19. Jahrhundert die europäischen Staaten gebildet haben. Der Satz Bismarcks, dass "Nationen aus Blut und Eisen geschmiedet" werden, wird in tragischer Weise abermals wahr. Dabei schien es Anfang der Sechzigerjahre so, als ob dem Kontinent diese blutige Erfahrung erspart bleiben könnte... In der Kairo-Deklaration von 1964 beschlossen [die Führer der damals unabhängig gewordenen Staaten] die aus der Kolonialzeit stammenden, willkürlich gezogenen Grenzen nicht zu ändern... Heute scheint sich diese weise Einsicht in Afrika ebenso wenig zu halten wie seinerzeit in Europa. Die Grenzen der Staaten sind in ihrer friedenssichernden Rolle nicht mehr unumstritten..., das riesige Kongo ist gegenwärtig in drei Einflusszonen geteilt. Ob die Befriedung des Landes von der Größe Westeuropas unter einer Zentralregierung... jemals wieder möglich sein wird, ist zweifelhaft.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.6.2002

 

 

 

Händler, Bauern, Missionare

Um die Einwirkungen der Europäer und afrikanische Reaktionen geht es in diesem Abschnitt. Was für die Europäer ganz verschiedene und von verschiedenen Ländern und deren Menschen zu verantwortende Vorgänge im Südlichen Afrika sein mögen, erscheint aus schwarzer und farbiger Sicht als Einheit mit verschiedenen Facetten. Nur wenige Vorgänge haben gute Erinnerungen, viele haben traumatische Erfahrungen hinterlassen.

B 2 a und B 2 b laden zum Vergleich ein. Die beiden Materialien zur christlichen Mission sind kontrovers ausgesucht. Arbeitsaufgaben wie der Vergleich der Intentionen und die Beurteilung der Wirkung auf die verschiedenen Stämme und deren Einzelpersonen bieten sich an. Für die Multiperspektivität kann dafür in einer Einheit in Religion oder Ethik noch mehr getan werden. Da haben einerseits die Missionare in Südwestafrika in den blutigen Auseinandersetzungen zwischen Hottentotten und Herero immer wieder mildernd gewirkt und viel für die Erforschung der verschiedenen Sprachen getan, andererseits gibt es genügend Beispiele, in denen die Mission an vorderster Front bei der Zerstörung der Identität stand. Ein Schriftsteller aus Kamerun, Mongo Beti, hat eine hervorstechende Rolle von Missionaren unnachahmlich charakterisiert (siehe Kasten).

 

 
Erfahrungen eines Missionars

Eine Beschreibung von Mongo Beti

"Ich fand hier eine Bevölkerung vor, die bereit war, mir zuzuhören... Ich gab mich meinem Bekehrungseifer hin. Ich stellte mir keine Fragen... Keinen Augenblick lang war mir bewusst, dass ich mich in einem kolonialisierten Land befand, und ebenso wenig, dass kolonialisierte Bevölkerungen gewisse besondere Verhaltensweisen zeigen könnten. Ich lebte ständig mit Leuten, die auf meinen kleinsten Fingerzeig hin gehorchten. Ich begann den Willkürherrscher zu spielen. Ich gab Befehle, sie führten aus. Ich erbaute Schulen, Kirchen, Häuser, fast eine ganze Stadt... Das wäre übrigens lange so weitergegangen, wenn ich nicht plötzlich bei ihnen so etwas wie... eine Kehrtwendung bemerkt hätte... Es waren nicht mehr dieselben Menschen. Ich erkannte sie nicht wieder. Ich begriff nicht, dass sie sich nach sorgfältiger Beratung ein Urteil über mich gebildet hatten, nämlich, dass ich sie hintergangen hätte."

Lesebuch Dritte Welt, Bd. 2, hrsg. von Karsten Garscha u.a., Düsseldorf, 1984,S.42 f.

 

 

 

Buren und Engländer

Die Buren sind für die deutschen Schüler von heute mit Sicherheit kein Identifikationsobjekt, wie sie es teilweise für ihre Vorgänger um 1900 waren. Jedoch wird es heutigen Schülern leicht fallen, die in B 5 und B 8 vorgestellten Vorgänge und Einstellungen mit jenen bei der Eroberung des "Wilden Westen" in den USA zu vergleichen, vor allem wenn man die Heroisierung in "Edel-Western" heranzieht. Wo die Beschäftigung im Geschichtsunterricht mit dem Thema "Imperialismus" Anschauung benötigt, ist B 6 nützlich; man findet dort Hinweise zu einer Diskussion, ob Imperialismus und moderner Krieg Geschwister sind. B 5 und B 6, B 9 bis B 13 können auch Anlass sein, die Schüler einem Perspektivenwechsel auszusetzen: Sie sollen versuchen, die Vorgänge und Gegebenheiten aus Sicht der Buren, aus Sicht der Engländer, aus Sicht der Schwarzen und Farbigen zu beschreiben, zu bewerten und in Rollenspielen darzustellen.

 

 


Zeittafel zur Geschichte des Südlichen Afrika

Ab 7-8 Millionen Jahre v. Chr.
Erste Vormenschen (nach Funden im Tschad), Menschen ab 1-2 Millionen Jahre (nach Funden in Ost- und Südafrika); Afrika ist die "Wiege der Menschheit"

Ab 70 000 v. Chr.
Herausbildung des Homo sapiens und dessen Auswanderung nach Europa, ab 25 000 v. Chr. Felsmalereien im Süden und Südwesten Afrikas

Ab 12. Jh. n. Chr.
Wanderbewegungen von Bantustämmen aus Zentralafrika nach Süden, bis gegen 1750, z.T. Verdrängung der San (Jäger und Sammler) und der Khoikhoi = Hottentotten (Viehzüchter)

Ab 1440
Suche der portugiesischen Seefahrer nach einem Seeweg nach Indien; 1486-88 geht Diaz im Süden Afrikas mehrfach an Land

Ab ca. 1570
Beginn des Sklavenhandels von Stützpunkten der Portugiesen an der Küste; dessen Ausweitung v.a. im 18. Jh. mithilfe afrikanischer Stämme, die Sklavenjagden betrieben; im 19. Jh. illegal durch Europäer weitergeführt, danach durch Araber bis ins 20. Jh.; in anderen Formen (Kinder-, Frauenhandel) bis heute

1652
Aufbau einer Versorgungsstation für Schiffe der Holländisch-Ostindischen Kompanie durch Jan van Riebeeck in der Tafelbucht; schon nach wenigen Jahren größere Ansiedlung (das spätere Kapstadt) durch Einwanderung von Holländern und Deutschen; danach erster Sklavenimport aus Westafrika und aus Südostasien

1690
Erste Trecks der Buren nach Osten; dabei Verdrängung, Unterwerfung und Ausrottung von Khoikhoi-Stämmen


Ab Anfang des 18. Jhs.
Missionare im Südlichen Afrika

Ab 1779
Für ein Jahrhundert kriegerische Auseinandersetzung der Siedler mit dem mächtigen Stamm der Xhosa

1806
Übernahme der Kap-Provinz durch Großbritannien, 1814 endgültige Abtretung

Ab 1834
Nach dem Verbot der Sklaverei durch das Brit. Parlament 1836 "Großer Treck" der Buren nach Osten und nach Norden; 1838 siegreiche Schlacht am "Blutfluss" gegen die Zulu; Gründung der Burenrepubliken Natal 1839 (bald wieder englisch), Transvaal (1852) und Oranje-Freistaat (1854)

Ab 1860
Import von Arbeitskräften aus Indien in die Kapkolonie

1867
Eröffnung der Diamantenminen bei Kimberley

1877
Annexion Transvaals durch Großbritannien, 1879 Eroberung des Zulu-Reiches durch die Briten; 1881 Rückgewinnung von Transvaal durch einen Sieg der Buren

1884/85
Kongo-Konferenz in Berlin: Recht auf Inbesitznahme "herrenloser" afrikanischer Gebiete; danach fast vollständige Aufteilung Afrikas

1886
Eröffnung der ersten Goldminen am Witwatersrand (Region von Johannesburg)

1899-1902
Krieg zwischen den Buren und Großbritannien; Sieg der Briten

1906-13
Gandhis Kampagnen des passiven Widerstandes

1910
Vereinigung zur Südafrikanischen Union mit starkem Einfluss der Buren; von da an Ausbau der Apartheid

1912
Gründung des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC)

Ab 1941
Ausbeutung der Uranvorkommen im Südlichen Afrika

1948
Sieg der Nationalpartei in den Wahlen; von da an verstärkter Ausbau der Apartheid bis in die Achtzigerjahre, z.T. auch in Südwestafrika (Mandat)

Ab 1952
Verstärkter Widerstand durch den ANC

1960
Nach dem Massaker der Polizei in Sharpeville Verbot des ANC und anderer Gruppierungen; danach deren Arbeit im Untergrund und gewalttätige Aktionen; Nelson Mandela wird wegen Sabotage 1964 mit anderen zu lebenslänglicher Haft verurteilt

1960
Friedensnobelpreis für den Vorsitzenden des ANC Albert Luthuli

1960
Unabhängigkeit vieler afrikanischer Staaten

Ab 1965
Militärputsche in vielen Staaten Afrikas; ab 1970 verstärkter Einbezug Afrikas und seiner Unabhängigkeitsbewegungen im Süden in den Ost-West-Konflikt (Stellvertreterkriege)

1976
Schülerdemonstration in Soweto (Südafrika), die mit vielen Toten von der Polizei beendet wird

1980
Unabhängigkeit von Simbabwe, das sich schon 1965 als Rhodesien unter einer weißen Regierung einseitig für unabhängig erklärt hatte

Ab 1980
Festigung der Apartheid (P.W. Botha) durch gesetzliche
Zugeständnisse und zugleich intensivierte Apartheidspraxis

1984
Friedensnobelpreis für Bischof Tutu

1990
Unabhängigkeit Namibias

1990
Wende in Südafrika durch de Klerk: Freilassung Mandelas, Abschaffung der Apartheidsgesetze; 1993 Friedensnobelpreis für de Klerk und Mandela; bis 1994 starke Spannungen und bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des ANC und der Inkatha Buthelezis; auch Attentate durch rechtsradikale Weiße, aber keine Abtrennung eines weißen Teilstaates und kein Militärputsch; Vernichtung der südafrikanischen Atombomben

1994
Wahlen, der ANC bildet mit der Nationalpartei und der Inkatha eine Koalitionsregierung, Mandela wird Staatspräsident

1999
Mbeki neuer Präsident in Südafrika; Wahlerfolg des ANC; Koalitionsregierung u.a. mit der Inkatha Freiheitspartei

Ab 2000
Verstärkter Druck auf die weißen Farmer in Simbabwe; 2002 Wiederwahl Mugabes als Staats- und Regierungschef

2001/02
Führungsrolle Südafrikas bei vielen gesamtafrikanischen Initiativen

 

 

 

Apartheid: Ideologie und Realität

"Wir sind ein weißer Stamm, der eine überholte Vision von westlicher Zivilisation verfolgt", sagt Breyten Breytenbach, ein weißer, gegenüber der Apartheid kritisch eingestellter südafrikanischer Schriftsteller. Seit der Konkretisierung der burischen Ideologie im "Großen Treck" und danach hat es mehr als 150 Jahre gedauert, bis eine Mehrheit der Weißen in Südafrika dieser Aussage Breytenbachs uneingeschränkt zustimmen würde. Für Schüler kann man das Zitat in einer Klausur an das Ende von Baustein B stellen und es dann mit dem erarbeiteten Wissen erörtern lassen.

Die Materialien B 8 und B 9 zeigen uns schon viele Facetten einer geschlossenen Weltanschauung, die für die Herrschaftsausweitung und den Überlebenskampf der Buren im 19. Jahrhundert sehr nützlich war und sich nicht von den nationalistischen und rassistischen Parolen aus anderen imperialistisch geprägten Gesellschaften dieser Zeit unterschied. Das 20. und das beginnende 21. Jahrhundert sind dann keineswegs davon freigeblieben. Anachronistisch war in Südafrika wie in den USA der Fünfziger- und Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts lediglich die Praxis, die sich aus einer solchen Ideologie ergab. Gegen diese erhob sich hier wie dort auch der Widerstand, lange in gewaltfreien Formen. Lehrreich ist es, die Weltanschauung der Apartheid mit der des Nationalsozialismus zu vergleichen. Aber reizvoll wäre es auch, zum Beispiel in Zusammenarbeit mit dem Englisch-Unterricht, die Bürgerrechtsbewegung und ihre Träger in den USA mit den Etappen des Kampfes gegen die Apartheid in Südafrika besonders von Seiten des ANC zu vergleichen (Martin Luther King und Steve Biko; Stokely Carmichael und Miriam Makeba). Walter Michler (Weißbuch Afrika, S. 218) hat, was er in B 8 zur Apartheid ausführt und was in B 10 bis B 17 verdeutlicht ist, in einem detailreichen Schaubild zusammengestellt, das für Schüler einen guten Überblick zur Sicherung des Erarbeiteten bietet (Schaubild 4).

 

Schaubild 4: Die historische Entwicklung des burischen Nationalismus

 

 

Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft

"Gewöhnlich wird das Apartheid-System als altmodisches Relikt eines sterbenden Kolonialismus angesehen; möglicherweise verkörpert es jedoch eines der effektivsten Muster oligarchischer Herrschaft", meint Heribert Adam (Südafrika. Soziologie einer Rassengesellschaft, Frankfurt a. M. 1969, S. 20). Am Ende waren es vielleicht 2 000 Gesetze und Verordnungen, mit denen die Apartheid geregelt und zementiert wurde (B 11 bis B 14, B 17). Konsequent und einfallsreich wurde die weiße Vorherrschaft abgesichert. Als sich durch die Entkolonialisierungswelle die ideologischen und realen Bedingungen dafür verschlechterten, versuchte man eigene "Entkolonialisierung" zu betreiben, indem man die einzelnen Stämme in die ihnen zugedachten "Homelands" entließ und umsiedelte. Die Homelands sollten sogar "unabhängige" Staaten sein oder werden. Mit dieser Politik wären rund 87 Prozent des südafrikanischen Bodens (teilweise von bester Qualität) für etwa 13 Prozent der Bevölkerung, nämlich die Weißen, reserviert worden - und zwar "schwarzenfrei". Auf der anderen Seite hätten 13 Prozent des Bodens (zum Teil von schlechter Qualität) den rund 75 Prozent Schwarzen zur Verfügung stehen sollen. Die Möglichkeit, sich so ein ständiges billiges Arbeitskräftepotenzial außerhalb des eigenen Staatsgebiets zu halten, erschien äußerst reizvoll. Unter veränderten Bedingungen ist dies mit Lesotho und anderen Staaten heute weiterhin der Fall (B 15 und C 27).

Mit B 10 bis B 12 und B 14 bis B 17 wird auf multiperspektivische Weise die von der Apartheid geprägte "Normalität" von Förderung und Verelendung sowie rassenbestimmter Rechtsprechung sichtbar. Gerade für Schüler sind folgende Zahlen interessant und aufschlussreich: 1988 betrug die Schüler-Lehrer-Relation bei Weißen 18 zu 1, bei Indern 21 zu 1, bei Farbigen 23 zu 1, aber bei Schwarzen 40 zu 1. 79 Prozent der weißen, aber nur 19 Prozent der schwarzen Kinder eines Jahrgangs absolvierten die 10. Klasse erfolgreich (nach: Jörn Rüsen u. a.: Afrika, Centaurus, Pfaffenweiler, 1992, S. 175).

 

Gegenwehr

Die gesteigerte Inszenierung der Apartheid bedingte auch einen Wandel in den Formen, wie man ihr Widerstand entgegensetzte. Von der Gewaltfreiheit (wie bei Gandhi, dessen südafrikanischer Anteil in dem Film von David Attenborough schön zu sehen ist) über Aufruhr, Gewalt gegen Sachen, nationalen Befreiungskampf von außen bis hin zum Bombenterror im Land haben sich Gruppen innerhalb des ANC bewegt. Das letzte Stadium erreichten sie nach siebzig Jahren. Die verschiedenen Etappen des Widerstands, der Forderungen und der Reaktionen des Staates (B 18 bis B 26 und Zeittafel) können von einzelnen Arbeitsgruppen auf Plakaten dargestellt werden. Besondere Anschauung und einen persönlichen Bezug gewinnen Schüler, wenn sie einen der Spielfilme ("Zwei Welten" oder "Schrei nach Freiheit") und die Lebensgeschichte von Nelson Mandela, eines der Jugendbücher oder einen Roman (siehe Literaturverzeichnis) kennen lernen. Vielleicht ist hier sogar eine Ganzschriftlektüre im Geschichts- oder Gemeinschaftskundeunterricht möglich.

Die Materialien B 26 a und B 26 b sind geeignet, über das auch in Zukunft immer wieder aktuelle Thema "Terror und Staatsterror" nachzudenken. B 26 a provoziert wie einige Biografien aus dem "Dritten Reich" das Nachdenken darüber, ob man es hier mit einem Sadisten oder einem überzeugten Anhänger des Systems oder einem pflichteifrigen Staatsdiener zu tun hat, oder mit einer Mischung aus allem. Gerade im Religions-, Ethik- oder Philosophieunterricht können die in B 26 b enthaltenen Äußerungen Ausgangspunkt einer Diskussion um Werte und Verantwortung sein.

 

Umdenken und Neuorientierung

Der Baustein B endet, der geschichtlichen Entwicklung folgend, mit einem sehr positiv zu bewertenden Szenario. Südafrika ist es gelungen, eine grundsätzliche Veränderung und Verbesserung des Systems (nicht bloß einen Machtwechsel) herbeizuführen, ohne dass eine Revolution mit extrem negativen Begleiterscheinungen stattfand. Es hätte nicht so ausgehen müssen. Henning Mankell zeigt davon einiges in seinem (auch verfilmten) Thriller "Die weiße Löwin". Buch und Film sind für Schüler lesens- oder sehenswert.

In B 27 können die Schüler die verschiedenen Argumentationsebenen herausarbeiten. Die Darstellungen des Umbruchs in B 28, aber auch in C 11 bis C 13, sollten auf ihre jeweilige Kernaussage verkürzt werden und dann die jeweiligen Blickwinkel einander gegenübergestellt werden. Die in B 29 beschriebenen und gewürdigten Haltungen der Akteure können in einem Schülerreferat des Neigungsfaches Gemeinschaftskunde mit Max Webers Vorstellung von "Politik als Beruf" verglichen werden.


BAUSTEIN B Von der Landnahme der Weißen
zur Apartheid
B 1 Der Raum
B 2 bis B 4 Händler, Bauern, Missionare
B 5 bis B 7 Buren und Engländer
B 8 bis B 12 Apartheid: Ideologie und Realität
B 13 bis B 17 Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft
B 18 bis B 24 Gegenwehr
B 25 und B 26 Zuspitzung des Konflikts
B 27 bis B 29 Neuorientierung in Südafrika

 


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