Zeitschrift 

Südliches Afrika

Bilder und Realitäten

Von der Landnahme der Weißen zur Apartheid

Probleme und Chancen heute
 

Heft 1/2003 
Hrsg.: LpB

 



 

Inhaltsverzeichnis

B 27 bis B 29 

Neuorientierung in Südafrika


 

B27 

Eine weiße Stimme der Vernunft

Anton Rupert, einer der erfolgreichsten Industriellen Südafrikas, heute Präsident des WWF Südafrikas und der Peace Park Foundation, plädiert in einer Veröffentlichung von 1982 für ein neues Selbstverständnis der Weißen.

Die Absicherung unserer Zukunft liegt darin, dass wir uns durch unsere Leistungen und Dienstbarkeit an der Südspitze des Kontinents unersetzlich machen... Wir sollten der Katalysator sein und Architekten einer positiven Veränderung, aber nicht die Opfer... Wie ein Katalysator in der Chemie, so sind die Weißen für die geordnete Entwicklung dieses Subkontinents unentbehrlich...

Südafrikas weiße Bevölkerung ist zu klein, um genügend Führungspersonal für eine wachsende Wirtschaft zur Verfügung stellen zu können. Wir müssen uns also auf die anderen Bevölkerungsgruppen verlassen... Für die Ausbildung der schwarzen Bevölkerung fehlt es an Klassenräumen, Lehrern und Geld... Die Schaffung von Erwerbsmöglichkeiten ist eine primäre Notwendigkeit... Ein arbeitsloser Mann ist ein verzweifelter Mensch... Einer kürzlich erfolgten vorsichtigen Schätzung zufolge müssen in den noch ausstehenden 20 Jahren dieses Jahrhunderts 1,6 Millionen Häuser für Schwarze in den weißen Gebieten errichtet werden... Wenn unser Land in der Lage wäre, diesen Bedürfnissen nachzukommen, könnte dies der Anfang eines neuen goldenen Zeitalters sein...

Obwohl Südafrika nur 3,7 Prozent der gesamten Oberfläche Afrikas ausmacht, beträgt sein Bruttosozialprodukt fast 20 Prozent... In großen Teilen Afrikas herrschen Hungersnot, Dürre und Elend. Es sind die Folgen des krampfhaften Festhaltens an veralteten Wirtschaftsmethoden und der Mangel an industrieller Entwicklung und Arbeitsplätzen. Wir können nicht ruhig schlafen, wenn unsere Nachbarn nichts zu essen haben. Als weiße Afrikaner können wir uns der Verantwortung, Hüter unseres Bruders zu sein, nicht entziehen. Wir müssen unser Brot brechen und teilen, damit alle etwas zu essen bekommen. Die Prinzipien, die ich mir als Geschäftsmann auferlegt... habe, sind:

  • dass derjenige, der alles behalten will, alles verliert;

  • dass man nicht mit Armen Handel treiben kann;

  • man kein Wohlwollen und keinen Wohlstand züchtet, durch eine Politik des Verschenkens;

  • dass Wohlstand ansteckend ist...;

  • dass man sich selbst immer in die Lage des anderen versetzen muss...;

  • dass man nur Vertrauen gewinnen kann, wenn man Vertrauen schenkt. Vertrauen ist ein Risiko, aber Misstrauen ist ein größeres Risiko, das gerade in Südafrika katastrophale Folgen haben könnte.

Anton Rupert: Einheit in der Vielfalt, Stuttgart (Seewald) 1982, Auszüge aus den Seiten 32-34, 39-41, 134-36

 

B28 

De Klerk und Mandela: Umbruch in Südafrika

Nelson Mandela schildert einen "atemberaubenden Augenblick"

Im August 1989 verkündete P. W. Botha im landesweiten Fernsehen seinen Rücktritt als Staatspräsident... Am folgenden Tag wurde F. W. de Klerk als amtierender Präsident vereidigt... Für uns war Mr. de Klerk eine unbekannte Größe... Nichts in seiner Vergangenheit deutete auf Reformgeist hin... Ich las alle seine Reden, hörte zu, was er sagte, und begann zu sehen, dass er für eine wirkliche Abkehr von der Politik seines Vorgängers stand ... De Klerk leitete eine systematische Demontage vieler Bausteine der Apartheid ein ... Am 2. Februar 1990 stand F. W. de Klerk vor dem Parlament, um die traditionelle Eröffnungsrede zu halten... Auf dramatische Weise kündigte Mr. de Klerk die Aufhebung des Verbots von ANC, PAC, South African Communist Party und 31 anderen illegalen Organisationen, die Freilassung wegen gewaltfreier Aktivitäten inhaftierter politischer Gefangener, die Abschaffung der Todesstrafe... an... Es war ein atemberaubender Augenblick, denn sozusagen im Schnellgang hatte er tatsächlich die Situation in Südafrika normalisiert...

 

Nelson Mandela: A life in Cartoons, nach: http://www.mandelacartoons.co.za

 

Am Tag meiner Entlassung wachte ich nach nur wenigen Stunden Schlaf um halb fünf Uhr früh auf. Der 11. Februar in Kapstadt war ein wolkenloser Herbsttag... Ich trat hinaus auf den Balkon [des Rathauses von Kapstadt] und erblickte eine unübersehbare Menschenmenge. Die Leute trugen Fahnen und Banner, jubelten, klatschten und lachten... [Zwei Tage später] flogen wir per Hubschrauber zum First National Bank Stadium in Soweto. Wir konnten einen Rundflug über Soweto machen..., der einzigen Heimat, die ich als Mann je gekannt hatte, bevor ich ins Gefängnis kam. Soweto war zwar gewachsen und prosperierte an einigen Stellen, doch die überwältigende Mehrheit der Menschen war immer noch entsetzlich arm... und vegetierte auf eine Weise dahin, die für eine so reiche Nation wie Südafrika beschämend war. An vielen Orten war die Armut viel schlimmer als bei meiner Inhaftierung...

Das Stadion war so überfüllt, dass es aussah, als werde es aus den Nähten platzen vor lauter Menschen. Ich gab meiner Freude Ausdruck, wieder unter ihnen zu sein, doch dann warf ich den Leuten einige der lähmenden Probleme städtischen schwarzen Lebens vor. Die Schüler, sagte ich, müssten in die Schule zurückkehren. Das Verbrechen müsste unter Kontrolle gebracht werden; ich sagte ihnen, ich hätte von Kriminellen gehört, die sich als Freiheitskämpfer verkleideten, unschuldige Menschen belästigten und Fahrzeuge in Brand steckten; diese Gauner hätten keinen Platz in unserem Kampf. Freiheit ohne Kultur, Freiheit ohne die Möglichkeit, in Frieden zu leben, sei keine wirkliche Freiheit.

Nelson Mandela: Der lange Weg zur Freiheit, Frankfurt a. M. (S. Fischer) 1994, S. 732-763

 

B29 

Mit Pragmatismus zum Erfolg

Die südafrikanische Einigung beruht zu einem entscheidenden Teil auf dem Pragmatismus der beiden Hauptakteure Mandela und de Klerk... Sie wurden immer stärker zu Realpolitikern und begriffen Politik als Kunst des Möglichen. Maximalforderungen wie Minderheitenrechte für Weiße oder die Verstaatlichung der Wirtschaft wurden vom Verhandlungstisch auf den Kehrichthaufen der Geschichte gefegt... Pragmatismus stand an der Wiege des Post-Apartheid-Südafrika, so auch beim Kompromiss in der Staatssymbolik... Zwei Wochen vor dem offiziellen Aufziehen der neuen Nationalflagge konnte man sich auf Form, Farbe und Größe einigen..., ein seitlich gedrehtes Ypsilon, das ein afrikanisches Muster und die Farben des ANC-Banners sowie der früheren "weißen" Flagge in sich vereint...

De Klerk war kein verträumter Visionär oder Idealist; seine Umkehr war die Folge eines Prozesses, der ihn zu der Einschätzung kommen ließ, dass die Apartheid nicht reformierbar war... und dass Südafrika nur eine Zukunft haben würde, wenn Weiße und Schwarze ohne Feindschaft zusammenleben... Sachbezogen... war die Haltung des Inkatha-Führers Buthelezi... Bei einem Zusammentreffen von de Klerk, Mandela und Buthelezi..., wenige Tage vor der Wahl, einigten sich die drei bedeutendsten politischen Akteure auf eine Beteiligung der Inkatha an den Wahlen. Vorausgegangen war... eine Änderung der vorläufigen Verfassung [dahingehend], dass die Verfassung von KwaZulu/Natal Vorkehrungen für den Fortbestand "...einer traditionellen Monarchie", eben des Zulukönigs, treffen kann.

Michael Behrens, Robert von Rimscha: Gute Hoffnung am Kap? Das neue Südafrika, Zürich (Edition Interfrom) 2. Aufl.1995, S. 198-201

 

Mandela und de Klerk erhalten 1993 den Friedensnobelpreis 

Bild: dpa

 


 


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