Zeitschrift Südliches Afrika Bilder
und Realitäten Heft 1/2003
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8. Juni 1893: Auf dem Bahnhof von Pietermaritzburg hält der Zug von Durban nach Pretoria, und aus dem Waggon der 1. Klasse wird ein junger, vornehm gekleideter Mann mit Gewalt auf den Bahnsteig bugsiert... Er habe, so wird Mohandas Karamchad Gandhi später berichten, die Gesetze der britischen Kronkolonie Natal nicht beachtet, habe in einem Abteil Platz genommen, das zu betreten Nichtweißen streng verboten war... Das Ereignis in der Eisenbahn wurde für ihn zur Zäsur. Der systematischen Unterdrückung standen, so erkannte er, seine Landsleute in Südafrika ebenso wie die schwarze Bevölkerung des Landes ohnmächtig gegenüber... Wie aber dagegen angehen?... So formulierte er sein Konzept des gewaltlosen, passiven Widerstandes und des zivilen Ungehorsams... [und] rief... die indischen Einwanderer zu gemeinsamen Aktionen gegen die Registrierpflicht auf... Und Gandhi war erfolgreich: 1906 hoben die Briten die Registrierpflicht auf... 1911... etablierte die neue Regierung der Südafrikanischen Union... viel drastischere Einschränkungen der Rechte der nichtweißen Bevölkerung. Mehrfach wurde Gandhi während dieser Jahre verhaftet... Immer wieder legten Demonstrationen, Arbeitsniederlegungen und Aktionen wie die öffentliche Verbrennung von Personalausweisen das Wirtschaftsleben Durbans und anderer Städte in Natal und Transvaal lahm. 1914, nach 21-jährigem Wirken in Südafrika, kehrte Gandhi nach Indien zurück. Dort setzte er die begonnene Arbeit fort. Ulla Ackermann: Südafrika, München (Limes) 1997, S. 143f .
Aus Nelson Mandelas Verteidigungsrede im Rivonia-Prozess 1964 Der Afrikanische Nationalkongress [ANC] wurde 1912 gegründet zur Verteidigung der Rechte der Afrikaner... Siebenunddreißig Jahre lang - bis 1949 - trat er strikt für einen verfassungsmäßigen Kampf ein. Er legte Forderungen und Resolutionen vor; er sandte Delegationen zur Regierung im Glauben, dass den Beschwerden der Afrikaner durch friedliche Verhandlungen Rechnung getragen würde und dass den Afrikanern allmählich volle politische Rechte zugestanden würden. Aber die weißen Regierungen ließen sich davon nicht beeindrucken... Um mit den Worten meines Vorsitzenden, Chief Luthuli, zu sprechen, der 1952 Präsident des ANC... wurde: "Wer wird leugnen, dass ich dreißig Jahre meines Lebens damit zugebracht habe, geduldig, zurückhaltend, bescheiden und letztlich vergebens an eine verschlossene und verriegelte Tür zu klopfen? Was hat uns diese Zurückhaltung gebracht? In den letzten dreißig Jahren sind unsere Rechte und unsere Entwicklungsmöglichkeiten durch mehr Gesetze eingeschränkt worden als je zuvor, sodass wir heute ein Stadium erreicht haben, wo wir fast überhaupt keine Rechte mehr besitzen." Nelson Mandela: Der Kampf ist mein Leben, Gesammelte Reden und Schriften, Dortmund (Weltkreis) 1986, S. 256
Aus den "African Claims" X. B. Xumas, damals Präsident des ANC, vom Dezember 1943
Jörn Rüsen u. a.: Südafrika..., Pfaffenweiler (Centaurus) 1992, S. 70f
Bannurteile werden ohne Anklage, ohne Verhör, ohne Gelegenheit zur Verteidigung ausgesprochen... Bannung bedeutet in Südafrika, dass der Gebannte
Bärbel von Wartenberg: Schwarz kann nicht ziehen, Stuttgart, 1973, 4.1
Nelson Mandela wurde im Rivonia-Prozess 1964 wie sieben andere Angeklagte der Sabotage für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Text dokumentiert Auszüge aus seiner Verteidigungsrede. Die Gewalt, zu der wir griffen, war kein Terrorismus... Wir wollten keinen Rassenkrieg... Vier Formen der Gewalt waren möglich: Sabotage, Guerillakrieg, Terrorismus und offene Revolution. Wir entschieden uns für die erste Möglichkeit und wollten sie voll ausschöpfen, bevor wir einen anderen Beschluss fassten. Angesichts unseres politischen Hintergrundes war es eine logische Entscheidung. Sabotageakte forderten keine Menschenleben und boten daher die besten Voraussetzungen für die zukünftige Entwicklung der Rassenbeziehungen. Die Verbitterung könnte in engen Grenzen gehalten werden... Nach unserer Meinung war Südafrika weitgehend von ausländischem Kapital und von Handelsbeziehungen mit dem Ausland abhängig. Wir waren überzeugt, dass die gezielte Zerstörung von Kraftwerken und eine ständige Störung der Bahn- und Telefonverbindungen das Kapital früher oder später von Investitionen im Land abschrecken... und auf lange Sicht das Wirtschaftsleben so stark beeinträchtigen würden, dass die Wähler des Landes gezwungen wären, ihre Position zu überdenken. Anschläge auf die wirtschaftlichen Lebensadern des Landes sollten mit Sabotageakten an Regierungsgebäuden und anderen Symbolen der Apartheid verbunden werden... Die Weißen ließen jede Reaktion vermissen, die einen Wandel signalisiert hätte. Ihre Antwort auf unseren Aufstand bestand darin, den Geist der Wagenburgen zu beschwören..., die Aussichten, einen Bürgerkrieg zu vermeiden wurden geringer... Die Kampfform, die für uns [nun] am aussichtsreichsten war und auf beiden Seiten die wenigsten Menschenleben gefährdete, war der Guerillakrieg. Nelson Mandela: Der Kampf ist mein Leben, Dortmund (Weltkreis) 1986, S.254-67
Es begann am 17. 6.1976 mit einem friedlichen Protestmarsch von etwa 20 000 Schülern, meistens aus Ober- und Mittelschulen, in Soweto gegen "Afrikaans" als verpflichtende Unterrichtssprache in den Fächern Mathematik, Geschichte und Geographie. Die Schüler sangen und schwenkten Plakate. Es ging weiter mit einzelnen Steinwürfen von Jugendlichen, mit gezielten Schüssen der Polizisten, mit Gewalttaten gegen Verwaltungseinrichtungen, Bierhallen (die Väter sollten nicht mehr Vergessen im Rausch suchen) und der Tötung zweier Weißer und endete mit der Tötung von ca. 500 Schwarzen in Soweto und von ca. 1000 im ganzen Land. Die Unruhen hielten über Wochen an, der Afrikaans-Erlass wurde zurückgenommen.
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