Zeitschrift 

Südliches Afrika

Bilder und Realitäten

Von der Landnahme der Weißen zur Apartheid

Probleme und Chancen heute
 

Heft 1/2003 
Hrsg.: LpB

 



 

Inhaltsverzeichnis

B 18 bis B 24

Gegenwehr


 

B18 

Gewaltfreier Widerstand, ziviler Ungehorsam

8. Juni 1893: Auf dem Bahnhof von Pietermaritzburg hält der Zug von Durban nach Pretoria, und aus dem Waggon der 1. Klasse wird ein junger, vornehm gekleideter Mann mit Gewalt auf den Bahnsteig bugsiert... Er habe, so wird Mohandas Karamchad Gandhi später berichten, die Gesetze der britischen Kronkolonie Natal nicht beachtet, habe in einem Abteil Platz genommen, das zu betreten Nichtweißen streng verboten war...

Das Ereignis in der Eisenbahn wurde für ihn zur Zäsur. Der systematischen Unterdrückung standen, so erkannte er, seine Landsleute in Südafrika ebenso wie die schwarze Bevölkerung des Landes ohnmächtig gegenüber... Wie aber dagegen angehen?... So formulierte er sein Konzept des gewaltlosen, passiven Widerstandes und des zivilen Ungehorsams... [und] rief... die indischen Einwanderer zu gemeinsamen Aktionen gegen die Registrierpflicht auf... Und Gandhi war erfolgreich: 1906 hoben die Briten die Registrierpflicht auf...

1911... etablierte die neue Regierung der Südafrikanischen Union... viel drastischere Einschränkungen der Rechte der nichtweißen Bevölkerung. Mehrfach wurde Gandhi während dieser Jahre verhaftet... Immer wieder legten Demonstrationen, Arbeitsniederlegungen und Aktionen wie die öffentliche Verbrennung von Personalausweisen das Wirtschaftsleben Durbans und anderer Städte in Natal und Transvaal lahm. 1914, nach 21-jährigem Wirken in Südafrika, kehrte Gandhi nach Indien zurück. Dort setzte er die begonnene Arbeit fort.

Ulla Ackermann: Südafrika, München (Limes) 1997, S. 143f

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B19 

Der verfassungsmäßige Kampf des ANC bis 1949

Aus Nelson Mandelas Verteidigungsrede im Rivonia-Prozess 1964

Der Afrikanische Nationalkongress [ANC] wurde 1912 gegründet zur Verteidigung der Rechte der Afrikaner... Siebenunddreißig Jahre lang - bis 1949 - trat er strikt für einen verfassungsmäßigen Kampf ein. Er legte Forderungen und Resolutionen vor; er sandte Delegationen zur Regierung im Glauben, dass den Beschwerden der Afrikaner durch friedliche Verhandlungen Rechnung getragen würde und dass den Afrikanern allmählich volle politische Rechte zugestanden würden. Aber die weißen Regierungen ließen sich davon nicht beeindrucken... Um mit den Worten meines Vorsitzenden, Chief Luthuli, zu sprechen, der 1952 Präsident des ANC... wurde: "Wer wird leugnen, dass ich dreißig Jahre meines Lebens damit zugebracht habe, geduldig, zurückhaltend, bescheiden und letztlich vergebens an eine verschlossene und verriegelte Tür zu klopfen? Was hat uns diese Zurückhaltung gebracht? In den letzten dreißig Jahren sind unsere Rechte und unsere Entwicklungsmöglichkeiten durch mehr Gesetze eingeschränkt worden als je zuvor, sodass wir heute ein Stadium erreicht haben, wo wir fast überhaupt keine Rechte mehr besitzen."

Nelson Mandela: Der Kampf ist mein Leben, Gesammelte Reden und Schriften, Dortmund (Weltkreis) 1986, S. 256

 

B20 

Forderungen des ANC

Aus den "African Claims" X. B. Xumas, damals Präsident des ANC, vom Dezember 1943

  1. Die Abschaffung politischer Diskriminierung basierend auf Rasse...

  2. Das Recht auf gleiche Rechtsprechung in den Gerichten mitsamt der Nominierung von Schöffen und der Ernennung von Richtern, Magistraten und anderen Beamten

  3. Freie Wahl des Wohnsitzes...

  4. Das Recht auf Bewegungsfreiheit und die Abschaffung der Passgesetze...

  5. Freiheit der Presse

  6. Anerkennung der Unverletzlichkeit des Wohnraums als Recht jeder Familie...

  7. Das Recht, Land und anderen beweglichen und unbeweglichen Besitz zu kaufen, leihen, bewohnen und besitzen...

  8. Das Recht, sich in allen Formen gesetzlicher Beschäftigung, in Handel und Berufen zu betätigen zu den gleichen Bedingungen wie andere Teile der Bevölkerung

  9. Das Recht, zu den gleichen Bedingungen wie Europäer Mitglied des öffentlichen Dienstes zu werden

  10. Das Recht jedes Kindes auf kostenlose Schulpflicht und Zulassung zu Technischen Hochschulen, Universitäten und anderen Institutionen der Weiterbildung

  11. Gleichheit in der Behandlung mit anderen Teilen der Bevölkerung in den staatlichen Sozialdiensten und Einbeziehung in jedes Wohlfahrtssystem zu den gleichen Bedingungen wie die Europäer

Jörn Rüsen u. a.: Südafrika..., Pfaffenweiler (Centaurus) 1992, S. 70f

 

B21 

Bannurteile als Reaktion des Systems

Bannurteile werden ohne Anklage, ohne Verhör, ohne Gelegenheit zur Verteidigung ausgesprochen... Bannung bedeutet in Südafrika, dass der Gebannte

  • nicht in seiner Wohnung besucht werden darf, außer von einem Arzt;

  • nicht mit einem Nachbarn oder Freund über seinen Zaun hinweg sprechen darf;

  • nicht mit irgendjemand sich verabreden kann;

  • nicht zur Kirche gehen kann;

  • nicht seine Kinder zur Schule oder Sonntagsschule bringen oder abholen kann;

  • nicht mit Freunden zum Essen ausgehen kann;

  • nicht nach seiner Wahl Sport treiben darf (weil er sich dabei... unterhalten könnte);

  • in den nächsten fünf Jahren mit seiner Familie nicht in Urlaub kann;

  • kein Gebäude betreten darf, wo Vervielfältigungen hergestellt werden;

  • von keiner Firma angestellt werden kann, wo die Regierungspolitik diskutiert wird: das sind nicht nur alle Handels- und Industrie-Konzerne..., sondern praktisch jedes Büro.

  • Der Gebannte darf nicht unterrichten, nicht predigen und nicht publizieren. 

Bärbel von Wartenberg: Schwarz kann nicht ziehen, Stuttgart, 1973, 4.1

 

B22 

Gewalt als letztes Mittel

Nelson Mandela wurde im Rivonia-Prozess 1964 wie sieben andere Angeklagte der Sabotage für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Text dokumentiert Auszüge aus seiner Verteidigungsrede.

Die Gewalt, zu der wir griffen, war kein Terrorismus... Wir wollten keinen Rassenkrieg... Vier Formen der Gewalt waren möglich: Sabotage, Guerillakrieg, Terrorismus und offene Revolution. Wir entschieden uns für die erste Möglichkeit und wollten sie voll ausschöpfen, bevor wir einen anderen Beschluss fassten. Angesichts unseres politischen Hintergrundes war es eine logische Entscheidung. Sabotageakte forderten keine Menschenleben und boten daher die besten Voraussetzungen für die zukünftige Entwicklung der Rassenbeziehungen. Die Verbitterung könnte in engen Grenzen gehalten werden... Nach unserer Meinung war Südafrika weitgehend von ausländischem Kapital und von Handelsbeziehungen mit dem Ausland abhängig. Wir waren überzeugt, dass die gezielte Zerstörung von Kraftwerken und eine ständige Störung der Bahn- und Telefonverbindungen das Kapital früher oder später von Investitionen im Land abschrecken... und auf lange Sicht das Wirtschaftsleben so stark beeinträchtigen würden, dass die Wähler des Landes gezwungen wären, ihre Position zu überdenken. Anschläge auf die wirtschaftlichen Lebensadern des Landes sollten mit Sabotageakten an Regierungsgebäuden und anderen Symbolen der Apartheid verbunden werden... Die Weißen ließen jede Reaktion vermissen, die einen Wandel signalisiert hätte. Ihre Antwort auf unseren Aufstand bestand darin, den Geist der Wagenburgen zu beschwören..., die Aussichten, einen Bürgerkrieg zu vermeiden wurden geringer... Die Kampfform, die für uns [nun] am aussichtsreichsten war und auf beiden Seiten die wenigsten Menschenleben gefährdete, war der Guerillakrieg.

Nelson Mandela: Der Kampf ist mein Leben, Dortmund (Weltkreis) 1986, S.254-67

 

B23 

Warenboykott von außen

 

Bild aus: Jörn Rüsen u. a.: Südafrika Apartheid und Menschenrechte..., Pfaffenweiler (Centaurus) 1992, S. 190

 

B24 

Schüleraufstand in Soweto

 

Bild aus: Reinhard Brückner: Südafrikas schwarze Zukunft, Frankfurt a. M. (Otto Lembeck) 1977 (Titelfoto)

 

Blutige Unruhen in Soweto

Bild: AP

 

Es begann am 17. 6.1976 mit einem friedlichen Protestmarsch von etwa 20 000 Schülern, meistens aus Ober- und Mittelschulen, in Soweto gegen "Afrikaans" als verpflichtende Unterrichtssprache in den Fächern Mathematik, Geschichte und Geographie. Die Schüler sangen und schwenkten Plakate. Es ging weiter mit einzelnen Steinwürfen von Jugendlichen, mit gezielten Schüssen der Polizisten, mit Gewalttaten gegen Verwaltungseinrichtungen, Bierhallen (die Väter sollten nicht mehr Vergessen im Rausch suchen) und der Tötung zweier Weißer und endete mit der Tötung von ca. 500 Schwarzen in Soweto und von ca. 1000 im ganzen Land. Die Unruhen hielten über Wochen an, der Afrikaans-Erlass wurde zurückgenommen.

 


 


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