Zeitschrift

Berufsorientierung

Einleitung

 


Heft 1/2000 , Hrsg.: LpB


Inhaltsverzeichnis

BERUFSORIENTIERUNG


Einleitung

"Mit siebzehn hat man noch Träume", so lautet ein Schlagertext aus den Fünfzigerjahren. An der Schwelle ins nächste Jahrtausend haben Schülerinnen und Schüler schon mit fünfzehn Jahren keine großen Illusionen mehr, wenn es um ihre Berufsaussichten geht. Das verdeutlichen Jugendstudien aus jüngster Zeit. So große Sorgen um ihre eigene Zukunft haben sich Jugendliche schon lange nicht mehr gemacht. Ganz im Vordergrund steht dabei die Sorge um einen sicheren Ausbildungs- und Arbeitsplatz.

In den vergangenen Jahren bedurfte es großer Anstrengungen von Politik und Wirtschaft, um die Schulabgänger eines Jahrgangs in Ausbildungsstellen unterzubringen. Auch weiterhin bleibt die Situation für angehende Auszubildende schwierig.


So ist es unter den gegebenen wirtschaftlichen Bedingungen nur den allerwenigsten Bewerberinnen und Bewerbern möglich, ihren Traumberuf zu realisieren. Wenn dies schon nicht möglich ist, dann sollte es wenigstens ein Wunschberuf sein, den man zu verwirklichen anstrebt. Anders als Traumberufe sind Wunschberufe nicht fern der Realität.

Sie berücksichtigen die Arbeitsmarktlage ebenso wie die Interessen, Neigungen, Fähigkeiten und den Bildungsstand von Bewerberinnen und Bewerbern, die Anforderungen eines Berufes und die Möglichkeiten des beruflichen Vorankommens

Aufgabe der Berufsorientierung muss es nun sein, sich dieser Bereiche anzunehmen. Berufsorientierung "umfasst jenen Vorgang, bei dem die Einzelnen verschiedene berufliche Alternativen auf dem Hintergrund eigener Möglichkeiten, Fähigkeiten und Lebensabsichten abwägen, um sich innerhalb gesellschaftlicher Möglichkeiten für einen Beruf zu entscheiden. Berufsorientierung ist zugleich Bestandteil eines vorberuflichen Unterrichts, ... der in eine Berufswahl oder Berufsentscheidung mündet." 

Die Praxis der Berufskunde

Nun ist die Berufsorientierung an Schulen nichts Neues. An allen weiterführenden Schulen hat sie sich längst etabliert und bewährt. Als erste Schulart begann die Hauptschule 1977 mit der Einführung der Unterrichtseinheit Orientierung in Berufsfeldern (OiB), 1984 zog die Realschule mit ihrem Berufsorientierungsprogramm für die Realschule (BORS) nach. Das Gymnasium baute 1995 die Berufsorientierung aus und führte ihr BOGY-Konzept ein.


Neben der theoretischen Erörterung berufskundlicher, betriebswirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Themen und Aspekte enthalten alle Konzepte ein Praktikum oder eine "Schnupperwoche". Je nach Schulart nimmt diese praktische Seite der Berufsorientierung einen unterschiedlichen Stellenwert ein. Während sie in der Haupt- und Realschule schon immer eine zentrale Position inne hatte, war das am Gymnasium lange Zeit eher die Ausnahme. Erst seit der Neukonzeption der Berufs- und Stu-dienordnung an Gymnasien (BOGY) ist es Schülerinnen und Schülern der Klassen 10 oder 11 nun möglich, eine Schulwoche lang in einem Betrieb zu "schnuppern".

Damit zog auch das Gymnasium die Konsequenz aus der Einsicht, dass berufskundliche Praxis für Schülerinnen und Schüler aller weiterführenden Schulen von großer Bedeutung ist. Sie erschließt den Lernenden nämlich eine weitgehend unbekannte Welt, sie lässt sie erste Eindrücke und Erfahrungen sammeln, bestätigt und korrigiert Vorstellungen und sie stärkt die Kompetenz für die Berufswahlentscheidung.


Schaubild 2 Wichtige Lebensbereiche "Wie wichtig werden folgende Bereiche für dich in 10 Jahren sein?" Als sehr wichtig stuften Jugendliche zwischen 12 und 15 ein:

Die Erkenntnis, dass praktische Berufsorientierung für junge Menschen sehr wichtig ist, hat neben anderen Faktoren, zum Beispiel der sich rasch und stetig verändernden Arbeitswelt und ihren Anforderungen, bei den Haupt- und Realschul-Konzeptionen OiB und BORS zu neuen Überlegungen geführt und eine ganze Reihe von Projekten angestoßen. Durch die Öffnung der Schule nach außen und der dadurch stärkeren Einbindung von Betrieben und Kammern, durch die Mitwirkung von außerschulischen Experten und die Involvierung der Berufsschule ist eine Partnerschaft zwischen Schule und Wirtschaft entstanden, die vielen guten Ideen den Weg zur Verwirklichung ebnete. Beispielhaft zu nennen sind die lokalen und regionalen Berufswahlmessen, die Verlegung des Technikunterrichts in Betriebe und Berufsschulen, die Einbindung von Eltern und Schulabgängern als Experten in der Schule, Tagespraktika für Lernende und das Lehrpersonal, Kooperationsklassen als Bindeglied zwischen Haupt- und Berufsschule und die Gründung von Schülerfirmen.

Diese praxisnahen Projekte sind mehr als nur ein Facelifting oder eine Aktualisierung der Berufsorientierung. Zum ersten Mal wird versucht, alle am Berufsfindungsprozess Beteiligten in ein Boot zu holen. Schule, Wirtschaft und Gesellschaft ziehen an einem Strang, um Jugendlichen den Weg von der Schule in die Arbeitswelt zu erleichtern.

Das Heft, das in vier Bausteinen Möglichkeiten der Berufsorientierung an den weiterführenden Schulen Gymnasium, Realschule und Hauptschule aufzeigt, kann kein Patentrezept für einen Erfolg versprechenden Weg zu einem Ausbildungsplatz liefern. Es soll vielmehr Mut machen, in der Berufsorientierung neben Bewährtem auch neue, unkonventionelle Wege zu gehen. Dabei können die Schularten auch voneinander lernen und profitieren.

Ulrich Manz


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